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Industriebauten und Heimatschutz.

zugegangen. Sie haben selbstverständlich bisher nicht Gelegenheit gehabt,
sie zu lesen, Sie tun dies aber vielleicht auf dem Heimwege.

Ich habe mich sehr gefreut, daß mein verehrter Freund Bezold auch
nicht so ängstlich ist wegen der Ausfuhr deutscher Kunsterzeugnisse. Die
Gesetze und Ausfuhrverbote anderer Länder sind von sehr zweifelhaftem
Wert. Ein Ausfuhrverbot hat dort einen Zweck, wo eine heimische Kunst
nicht mehr oder noch nicht existiert oder wo sie vollständig verschwunden
ist. Ich kann sie von Griechenland verstehen, in gewissem Sinne auch von
der Türkei. Aber bei uns würde ein ähnliches Gesetz nach meiner Ansicht
nicht erwünscht sein, ganz abgesehen davon, daß ein solches Gesetz nur
auf Dinge Anwendung fände, die schon im Handel sind und damit sicher
nicht zu großen Besultaten führen würde. Denn der Handel findet sehr
leicht Wege, solche Gesetze zu umgehen, wo es sich um wirklich wertvolle
Dinge handelt. Eine Bemerkung möchte ich mir nur erlauben hinsichtlich
der Rede des Herrn Prälaten Professor Swoboda. Der Herr hat die große
Güte gehabt, inich Kollege zu nennen. Ich nehme das dankbar an in
meiner Eigenschaft als Professor. In anderer Beziehung bin ich freilich nicht
sein Kollege, aber ich freue mich gerade darüber, daß der Nichtkollege so
sprach, wie er es getan hat. Es ist für uns von hohem Wert, daß ein Mann
aus seinen Kreisen in diesem Sinne sich äußerte, in einem Sinne, der gewiß
bei uns, wie auch der Beifall gezeigt hat, den lebhaftesten Anklang findet.

Vorsitzender: Ich darf nunmehr Herrn Professor Dr. Bestelmeyer
zu seinem Vortrage das Wort erteilen.

„Industriebauten und Heimatschutz“.

Berichterstatter Professor Dr. Bestelmeyer-Dresden : Kgl. Hoheit!
Meine Damen und Herren! Die Industrie hat in den Erscheinungsformen
unserer Umgebung im Laufe der Zeit eine ungeheuere Umwälzung mit sich
gebracht. Denn die Bauweise unserer Großstädte, die Niederlegung ganzer
Häuserquartiere in den Altteilen derselben, die Verkehrsverhältnisse, das
Beleuchtungswesen, die großen Schaufenster mit ihren Auslagen, all das
ist in letzter Linie eine Folgeerscheinung der Industrie.

Die großen Werte, die die Industrie schafft, könnten wir für unser
Nationalvermögen nicht mehr entbehren, und die Vorteile, die uns ihre
Erzeugnisse im täglichen Leben bieten, möchten wir nicht mehr missen.

Leider hat aber die glänzende Entwickelung in jeder Hinsicht auch
recht tiefe, uns allen sattsam bekannte Schäden und Nachteile mit sich ge-
bracht.

Diese sind aber durchaus nicht alle eine notwendige Folge der Ent-
wickelung der Industrie, sondern bloß einer zu großen Plötzlichkeit dieser
Entwickelung.

Es ist von jeher ein Unglück gewesen, wenn eine mächtige Entwickelung
zu rasch einsetzte und vor sich ging; denn dabei fehlt der notwendige natür-
liche Ausgleich. Der Mensch steht in solchen Fällen der Situation fassungs-
los gegenüber, wird durch die Erfolge der Ereignisse willenlos mit fort-
gerissen.
 
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