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I. Die Doctorcn und die Halbgelehrten.

Wir sind gewobnt, bei dem Beschaucn cines mächtigen Bauwerks den
Künstler zu rühmen, der es erdachte, und des'Bauherrn zu gedenken, der
seine Aussührung befabl; aber der wackeren Meister und Gesellen zu ver-
gessen, deren treuem Fleiß und kunstfcrtiger Hand jeder einzelne Ttein seine
Form und seinen Platz, und schließlich das ganze Werk seinen schvnen und
kräftigen Körper dankt, mit dem es Tturm und Wetter Trotz bietet. So
pslegen wir auch bei der Betrachtung grvßer geschichtlicher Ereignisse dic
Männer zu ncnnen, welche durch die Gunst der Berhältnisse und eigene
Kraft an die Spitze der Vorgänge gestellt waren, und nicht von denen zu
reden, weiche Das, was wirklich geschah, thatsächlich vollbrachtcn. Und docb
ist nicht zu verkcnnen, daß, wo es sich nicht bloß um cine Action im äußeren
Üebcn dcs Staats, desscn wohlgefügter Mcchanismus dem von oben ge-
zebenen Druck bis in die entfcrntesten Glieder fast willenlos gchorcht, sondern
um dcn langsamen Prozeß einer Umgcstaltung des Geisteslebens handclt,
die große Zahl dcr Vtänncr nicht mindcr Beachtung verdient, welche den
gegebenen Anstoß in weitcrc Kreise übertrugen, und in freier Thätigkeit den
Fnhalt der neuen Gedanken zum Eigenthum dcs Volks machten.

So hat man von jcher bci der Darstellung der mcrkwürdigcn Umge-
staltung unscrcs dcutschen Kulturlebens, welchc in der Einbürgerung des
römisch-kanonischen Rechts bcstand, den Einfluß der gelehrten Dvctoren als
die erste und wichtigste Ursache hervorgehoben. Und nicht mit Unrccht geht'
man von diescr Thatsache aus; denn wir wisscn, daß nicht nur fremde Rechts-
gelehrtcn bei uns eindrangcn, sondern, daß unscre Landsleute selbst seit dem
zwölften Iahrhundcrt über die Alpen zogcn, um auf den italienischen Hoch-
schulcn die fremden Rechte zu lernen, und mit der Würde akademischer Grade
geschmückt und mit dem Nimbus transalpiner Gelcbrsamkeit umgeben, in ihr

Stintziog, Meratur. h
 
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