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wohlgeschulter und organisierter Bauhütten.
Man fand Gefallen daran, über das blos
Zweckmässige hinaus, dem die frommen
Gläubigen zum Gebet versammelnden Gottes-
hause auch eine würdige Ausschmückung
zu geben. Neben reichen, zum Teil sehr
weitgehenden farbigen Bilderschmuck der
Wände trat die immer häufigere Verwendung
auch des plastischen Ornaments. Säulen und
Pilasterkapitäle im Innern, die Umrahmungen
der Portale und auch der Fenster wurden
mit üppigem Schmuck überzogen.

Mit der Zeit der romanischen Stilperiode
tritt auch das Strassburger Münster „Unserer
Lieben Frau" in die Geschichte ein. An
der Stelle der bescheidenen, vermutlich in
Holzkonstruktion errichteten merovingisch-
karolingischen Bischofskirche erhebt sich bald
auf Veranlassung des Strassburger Bischofs
Werner von Habsburg der erste romanische
Dom. Eine Verwüstung des Münsters durch
die Truppen Hermanns von Schwabe»- im
Jahre 1002 sowie ein durch einen Blitzstrahl
entstandener Brand im Jahre 1007 werden dem
Bischof die vielleicht nicht ganz unerwünschte
Veranlassung zum gründlichen Neubau ge-
geben haben, mit dem denn auch, unterstützt
durch reiche Schenkungen des dankbaren
Kaisers Fleinrich im Jahre 1015 begonnen
worden ist. Ein mächtiges Bauwerk von ge-
waltigen Dimensionen schloss er sich würdig
seinen Zeitgenossen am Rhein an, sie alle
überragend an Kühnheit der Konstruktion,
an Weiträumigkeit der Anlage. Hatte doch
bereits der romanische Bau unseres Münsters
die für die damalige Zeit selbst in Anbe-
tracht der flachen Deckenkonstruktion ge-
waltige Spannweite von mehr als 14 m im
Mittelschiff, wie uns die heute noch den
gotischen Pfeilern als Stütze dienenden
romanischen Fundamente verraten. Die
Kirche, als dreischiffige Säulenbasilika an-
gelegt, hatte im grossen und ganzen die
Dimensionen unseres heutigen Münsters. An
der Westseite eröffnete ein grossartiges
Atrium mit Kreuzgängen (auf dem jetzigen
Münsterplatz) den Zutritt zu dem von zwei
mächtigen Türmen auf quadratischer Grund-
fläche flankierten und durch eine offene
Vorhalle geschützten Eingang.

Von dem gewaltigen Bau Werners ist
über dem Boden nichts mehr vorhanden;
derselbe hat den Umbauten in spätromanischer
und gotischer Zeit weichen müssen. Steigen
wir jedoch in die unterirdischen Räume, in die
unter dem hohen Chor noch erhaltene
Krypta hinab, so lassen uns die schweren
Säulen und Umfassungsmauern des östlichen
Teiles derselben jetzt noch die erhabene
Monumentalität des verschwundenen roma-
nischen Domes ahnen.

Hier sehen wir auch die ältesten Beispiele
romanischer Verzierungskunst an unserem
Münster.

Das romanische Ornament tritt, wenn
seine Bestimmung auch ist, das Architektur-
werk zu schmücken, doch mehr oder weniger
selbständig seiner Schwesterkunst gegenüber
auf. Dem Teppich vergleichbar, mit dem
tatsächlich ja auch bei besonderen Anlässen
die romanische Zeit Wandflächen, Pfeiler
und Säulenschaft behängt, schmückt auch
das plastische Ornament im romanischen
Stil was eben geschmückt werden kann,
ohne dabei sonderlich Rücksicht zu nehmen
auf die jeweilige konstruktive Funktion des
betreffenden Bauteiles. Die füllende Wand-
fläche wird ebenso verziert wie der trennende
Bogen, wie die tragende Säule, dabei bis-
weilen in direkt widersinniger Weise. Selbst
beim Kapital, diesem wichtigsten, mit der
Säule aus der klassischen Baukunst aufge-
nommenen und dem an und für sich fremden
romanischen Organismus eingefügten Bau-
gliede, nimmt wenigstens in der Frühzeit
häufig das Ornament durchaus keine Rück-
sicht auf die gerade hier, in dem Vermittler
zwischen Kraft und Last auszudrückende
Funktion. Später wird dies allerdings anders
insofern, als das Ornament im Kapital ent-
sprechend dem klassischen Vorbild selbst
konstruktive Funktion übernimmt, aber auch
hier also dem eigentlich Architektonischen
gegenüber seine Selbständigkeit bewahrt.
Von einer Unterordnung wie später im
gothischen Stil kann keine Rede sein.

Das Ornament des romanischen Stiles
ist, wenn auch germanische Elemente ent-
haltend naturgemäss in grossem Masse
beeinflusst durch die Schmuckformen der
 
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