Man muß sich vergegenwärtigen, daß in der syrischen
Metropole Antiochia bis jetzt keine einzige Kirche freige-
legt wurde, die bis heute in Apamea ausgegrabenen Säu-
lenbasiliken in seltsamem Kontrast zu dem reichen Be-
fund des Bergmassivs stehen18) und auch die anderen
großen Städte Nord- und Mittelsyriens wenig zur Berei-
cherung des Bildes beitragen, um zu begreifen, welche
Faszination die Bauten des Kalksteinmassivs zu jeder Zeit
ausübten. Schon früh entstand der Eindruck19), daß mit
ihnen nicht nur teilweise erhalten blieb, was in Antiochia
verlorenging, sondern eine Architektur heranwuchs, die
sich zumindest teilweise eigenständig gegenüber der
Hauptstadt behauptete. Es wurde nicht ausgeschlossen,
daß einige bedeutende und vieldiskutierte Bau- und De-
korationsformen wie z. B. die Weitarkadenbasilika20)
und Hauptformen der für nordsyrische Bauten so cha-
rakteristischen fortlaufenden Gesimse des Innen- und
Außenbaus aus dieser Gegend hervorgingen und von ihr
aus auf außersyrische Gebiete ausstrahlten21). Die Tat-
sache, daß ein großer Teil der Dekorationsformen in dem
Zentrum Q. SinTän sich nicht in den vorangehenden Bau-
ten des 5. Jhs. findet, wurde dadurch erklärt, daß Werk-
gruppen aus Kleinasien, Nordmesopotamien und selbst
Ägypten herangezogen wurden22).
Zu Recht wurde von mehreren Autoren angenommen,
daß der Baukomplex von QaFat SinTän aufs engste mit
der syrischen Metropole Antiochia zusammenhängt23).
Der Einfluß der großen nordsyrischen Städte auf das
Bergmassiv datiert jedoch lange vor Q. SinTän, und es
wird eine der Hauptaufgaben der folgenden Untersu-
chung sein, die direkte Beteiligung von Werkgruppen des
städtischen Bereichs an den großen Bauvorhaben des spä-
ten 4. und des 5. Jhs. nachzuweisen.
Auf die so gegensätzlichen Dekorationsformen gleich-
zeitig errichteter Bauten bin ich vor einigen Jahren in ei-
nem Vorbericht über meine Arbeit eingegangen24). Das
spannungsvolle Neben- und Nacheinander unterschiedli-
cher Werkstätten und Werkgruppen beherrscht nicht nur
die Architektur des 5., sondern auch die des 6. Jahrhun-
derts. Es wird nicht nur von dem Abstand in der hand-
werklichen Fertigkeit, sondern auch von der gegensätzli-
chen Einstellung gegenüber antiker Tradition geprägt.
Es ist zu beobachten, daß sich lokale Werkgruppen
früh von Grundformen antiker Tradition lösen und z. B.
Kapitelle arbeiten, die in der Auflösung antiker Formen
über Kapitelle des städtischen Bereichs hinausführen. Die
intensive Antikentradition innerhalb der Werkgruppen
des städtischen Bereichs und die von ihnen getragene
Wiederaufnahme und Umbildung antiker Formen im
Laufe des 5. Jhs. spielen eine große Rolle bei der Entste-
hung der Kontraste, die die Baudekoration des 5./6. Jhs.
in höherem Maße als die Gesamtkonstruktion beherr-
schen.
Abschließend einige Anmerkungen zum Aufbau der
vorliegenden Arbeit und zu den Außenaufnahmen. Die
Einführung in die einzelnen Orte und die Ausführungen
zur Architektur der Bauten wurden so kurz wie möglich
gehalten und werden für die Kirchen mit Bema durch die
ausführlichen Angaben Tchalenkos ergänzt. Sie streben
also keine Vollständigkeit an, sondern wurden so abge-
faßt, daß mit ihnen die Kapitell-, Tür- und Gesimsformen
der jeweiligen Bauten eingeordnet werden können.
Meine Arbeitsgenehmigung schloß Teilgrabungen aus,
ich war also ganz auf Beobachtungen zum Oberflächen-
befund angewiesen. Gerade dieser aber hat sich in einigen
Bauten seit Abschluß unserer Außenaufnahmen im Jahr
1979 tiefgreifend verändert. Eine Fülle von Straßen
wurde gebaut, und zu Orten, die nur in stundenlangem
Fußweg erreichbar waren, führt nun in kurzer Zeit das
Auto. Ohne Freilegungsarbeiten erreichbare Stücke sind
nun leichter zu transportieren - die nicht gerade positiven
Aspekte dieser Situation25) zeigten sich bei meinem letz-
ten Aufenthalt im Jahr 1990.
Fast alle Kapitelle werden in den Hauptmaßen und be-
sonders wichtige Stücke in detaillierten Zeichnungen
vorgestellt. Die Durchzeichnung aller Dekorationsfor-
men erschien dann sinnvoll, wenn die Gesamtform eines
Kapitells zu rekonstruieren war oder wenn die Analyse
des Verhältnisses zwischen ihr und den Dekorationsele-
menten über die Möglichkeiten der photographischen
Aufnahme hinausführte.
Bei den Zeichnungen wurde vom Maßstab 1:10 bzw.
1:100 nur in wenigen Fällen abgewichen. Bei den Kapi-
tellen wurde für die großformatigen und detailliert
durchgezeichneten Kapitelle der Maßstab 1:7,5 gewählt,
bei den Fundplänen war es der Kontrast zwischen der El
Hosn von El Bära und der Kirche von Kseigbe, der den
Maßstab 1:250 nahelegte.
Ein großes Problem war die Einschränkung der photo-
graphischen Dokumentation des häufig unpublizierten
Materials. Zum Glück stellt Tchalenkos Bemabuch einen
großen Teil der im folgenden diskutierten Bauten nicht
nur in ihrer Architektur, sondern auch mit ausgewählten
Aufnahmen zur Baudekoration vor. Ich konnte also für
die Bemakirchen ergänzend auswählen und somit bei den
Kirchen ohne Bema breiter dokumentieren. Bei wenigen
Kirchen wurde bis jetzt das Innere vollständig freigelegt.
Da wir nur die im Oberflächenbefund greifbaren Stücke
aufnehmen konnten, war es das Ziel der vorliegenden
18) Zu der Situation in Apamea zusammenfassend Balty, Apamee de
Syrie passim; ders., Apamee de Syrie, Archeologie et histoire II in:
ANRWII 8 (1977) 134 ff.
19) AAES II XXIII.
20) Grossmann, S. Michele in Africisco 43 ff.
21) Deichmann, Qalb Löze und Qalcat Semcän 20 ff.
22) Tchalenko, Villages I 266.
23) Siehe S. 267.
24) Strube, Baudekoration 575 ff.
25) Einen Teil der von uns zwischen 1974 und 1979 aufgenommenen
Kapitelle fand ich bei meinem letzten Aufenthalt im Jahr 1990 nicht
mehr vor.
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Metropole Antiochia bis jetzt keine einzige Kirche freige-
legt wurde, die bis heute in Apamea ausgegrabenen Säu-
lenbasiliken in seltsamem Kontrast zu dem reichen Be-
fund des Bergmassivs stehen18) und auch die anderen
großen Städte Nord- und Mittelsyriens wenig zur Berei-
cherung des Bildes beitragen, um zu begreifen, welche
Faszination die Bauten des Kalksteinmassivs zu jeder Zeit
ausübten. Schon früh entstand der Eindruck19), daß mit
ihnen nicht nur teilweise erhalten blieb, was in Antiochia
verlorenging, sondern eine Architektur heranwuchs, die
sich zumindest teilweise eigenständig gegenüber der
Hauptstadt behauptete. Es wurde nicht ausgeschlossen,
daß einige bedeutende und vieldiskutierte Bau- und De-
korationsformen wie z. B. die Weitarkadenbasilika20)
und Hauptformen der für nordsyrische Bauten so cha-
rakteristischen fortlaufenden Gesimse des Innen- und
Außenbaus aus dieser Gegend hervorgingen und von ihr
aus auf außersyrische Gebiete ausstrahlten21). Die Tat-
sache, daß ein großer Teil der Dekorationsformen in dem
Zentrum Q. SinTän sich nicht in den vorangehenden Bau-
ten des 5. Jhs. findet, wurde dadurch erklärt, daß Werk-
gruppen aus Kleinasien, Nordmesopotamien und selbst
Ägypten herangezogen wurden22).
Zu Recht wurde von mehreren Autoren angenommen,
daß der Baukomplex von QaFat SinTän aufs engste mit
der syrischen Metropole Antiochia zusammenhängt23).
Der Einfluß der großen nordsyrischen Städte auf das
Bergmassiv datiert jedoch lange vor Q. SinTän, und es
wird eine der Hauptaufgaben der folgenden Untersu-
chung sein, die direkte Beteiligung von Werkgruppen des
städtischen Bereichs an den großen Bauvorhaben des spä-
ten 4. und des 5. Jhs. nachzuweisen.
Auf die so gegensätzlichen Dekorationsformen gleich-
zeitig errichteter Bauten bin ich vor einigen Jahren in ei-
nem Vorbericht über meine Arbeit eingegangen24). Das
spannungsvolle Neben- und Nacheinander unterschiedli-
cher Werkstätten und Werkgruppen beherrscht nicht nur
die Architektur des 5., sondern auch die des 6. Jahrhun-
derts. Es wird nicht nur von dem Abstand in der hand-
werklichen Fertigkeit, sondern auch von der gegensätzli-
chen Einstellung gegenüber antiker Tradition geprägt.
Es ist zu beobachten, daß sich lokale Werkgruppen
früh von Grundformen antiker Tradition lösen und z. B.
Kapitelle arbeiten, die in der Auflösung antiker Formen
über Kapitelle des städtischen Bereichs hinausführen. Die
intensive Antikentradition innerhalb der Werkgruppen
des städtischen Bereichs und die von ihnen getragene
Wiederaufnahme und Umbildung antiker Formen im
Laufe des 5. Jhs. spielen eine große Rolle bei der Entste-
hung der Kontraste, die die Baudekoration des 5./6. Jhs.
in höherem Maße als die Gesamtkonstruktion beherr-
schen.
Abschließend einige Anmerkungen zum Aufbau der
vorliegenden Arbeit und zu den Außenaufnahmen. Die
Einführung in die einzelnen Orte und die Ausführungen
zur Architektur der Bauten wurden so kurz wie möglich
gehalten und werden für die Kirchen mit Bema durch die
ausführlichen Angaben Tchalenkos ergänzt. Sie streben
also keine Vollständigkeit an, sondern wurden so abge-
faßt, daß mit ihnen die Kapitell-, Tür- und Gesimsformen
der jeweiligen Bauten eingeordnet werden können.
Meine Arbeitsgenehmigung schloß Teilgrabungen aus,
ich war also ganz auf Beobachtungen zum Oberflächen-
befund angewiesen. Gerade dieser aber hat sich in einigen
Bauten seit Abschluß unserer Außenaufnahmen im Jahr
1979 tiefgreifend verändert. Eine Fülle von Straßen
wurde gebaut, und zu Orten, die nur in stundenlangem
Fußweg erreichbar waren, führt nun in kurzer Zeit das
Auto. Ohne Freilegungsarbeiten erreichbare Stücke sind
nun leichter zu transportieren - die nicht gerade positiven
Aspekte dieser Situation25) zeigten sich bei meinem letz-
ten Aufenthalt im Jahr 1990.
Fast alle Kapitelle werden in den Hauptmaßen und be-
sonders wichtige Stücke in detaillierten Zeichnungen
vorgestellt. Die Durchzeichnung aller Dekorationsfor-
men erschien dann sinnvoll, wenn die Gesamtform eines
Kapitells zu rekonstruieren war oder wenn die Analyse
des Verhältnisses zwischen ihr und den Dekorationsele-
menten über die Möglichkeiten der photographischen
Aufnahme hinausführte.
Bei den Zeichnungen wurde vom Maßstab 1:10 bzw.
1:100 nur in wenigen Fällen abgewichen. Bei den Kapi-
tellen wurde für die großformatigen und detailliert
durchgezeichneten Kapitelle der Maßstab 1:7,5 gewählt,
bei den Fundplänen war es der Kontrast zwischen der El
Hosn von El Bära und der Kirche von Kseigbe, der den
Maßstab 1:250 nahelegte.
Ein großes Problem war die Einschränkung der photo-
graphischen Dokumentation des häufig unpublizierten
Materials. Zum Glück stellt Tchalenkos Bemabuch einen
großen Teil der im folgenden diskutierten Bauten nicht
nur in ihrer Architektur, sondern auch mit ausgewählten
Aufnahmen zur Baudekoration vor. Ich konnte also für
die Bemakirchen ergänzend auswählen und somit bei den
Kirchen ohne Bema breiter dokumentieren. Bei wenigen
Kirchen wurde bis jetzt das Innere vollständig freigelegt.
Da wir nur die im Oberflächenbefund greifbaren Stücke
aufnehmen konnten, war es das Ziel der vorliegenden
18) Zu der Situation in Apamea zusammenfassend Balty, Apamee de
Syrie passim; ders., Apamee de Syrie, Archeologie et histoire II in:
ANRWII 8 (1977) 134 ff.
19) AAES II XXIII.
20) Grossmann, S. Michele in Africisco 43 ff.
21) Deichmann, Qalb Löze und Qalcat Semcän 20 ff.
22) Tchalenko, Villages I 266.
23) Siehe S. 267.
24) Strube, Baudekoration 575 ff.
25) Einen Teil der von uns zwischen 1974 und 1979 aufgenommenen
Kapitelle fand ich bei meinem letzten Aufenthalt im Jahr 1990 nicht
mehr vor.
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