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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 2): Das 6. und frühe 7. Jahrhundert — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.71526#0046
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Formenwelt von QaFat Simcän so direkt vergleichbaren
Fassung aufweist.
Das von Duthoit gezeichnete Kapitell erscheint in den
Proportionen ungewöhnlich119, doch das Photo Butlers
(Taf. 140 bestätigt, daß der oberste Kapitellteil weit auslud,
und das Kapitell sich im unteren Teil stark verjüngte. Die
wichtigste Information bringt die in allen drei Kapitell-
zonen dominierende Blattform. Wir müssen allerdings
die Zeichnung durch das Photo Butlers, das erhaltene
Fragment (Taf. 14e) und die Aussage eines Kapitells in
der Klosterkirche (Taf. 17a.b) ergänzen, da Duthoit Ein-
zelzüge des Blattypus nicht richtig wiedergegeben hat.
Das Fragment eines Hochblattes (Taf. 14e) bestätigt die
kräftige Ausbildung des Mittelsteges in der Zeichnung
Duthoits und die nach oben, zur Blattmitte hin einschla-
genden Rankenelemente (Abb. 2a.m), die sich deutlich
von dem des zweiten Kapitellfragments (Taf. 14d;
Abb. 2a) unterscheiden. Es ist sehr wichtig, daß die bei-
den Hauptformen des Rankenmotivs — mit kurzer, drei-
gezackter und langer, reich gezackter Blattspitze (Abb.
2a-d; 2a. b. 1) - sowie die einmal vom Blattsteg abzwei-
gende und ein andermal durch Negativrillen von ihm ge-
trennte Fassung für die Kirche belegt sind. Beide Varian-
ten jedoch nicht die Blattgabeln, die die Rankenelemente
trennen, trafen wir — in einem Blatt kombiniert — in der
Hallawiya an (Abb. 2a-d) und werden wir bei anderen
Kirchen der Gruppe 1 vorfinden (z. B. Taf. 20a; 33c. e;
35d).
Kapitelle der Nordkirche und Kapitelle der Klosterkirche
von Deir Setä (Taf. 17a. b). In beiden Kirchen wurde
eines der in der Madrasa al Hallawiya zum ersten Mal
greifbaren, über QaFat Simcän hinausführenden Motive
- die wie Elemente einer Ranke auftretenden Blatt-
lappen, deren Spitzen nach oben oder nach unten zur
Blattmitte hin einschwingen (Abb. 2a-d) - zur dominie-
renden Hauptform auf dem normalen wie auf dem
windbewegten Kapitell. Auf ein und demselben Kapi-
tell können sie einmal paarweise als „Doppelwedel“
(Abb. 2 g; Taf. 18a) und ein andermal in einfacher Fas-
sung (Abb. 2a. b) auftreten. Sie werden im folgenden
durchgehend als Rankenelemente bezeichnet.
Zwischen beiden Hauptmotiven liegt in den Blatt-
kränzen wie in der Hüllblattzone trennend ein langer
Stengel mit gespaltener Spitze (Blattgabel). Da er ge-
nauso gebildet ist wie der zentrale Blattstengel, dem die
nach oben und unten einschwingenden Rankenelemente
entsteigen, wird der Betrachter unmittelbar an den
Hauptfries der Apsisarchivolte (Taf. 14a) und an den
Befund in Aleppo (Taf. 7b, untere Blattreihe) erinnert,
wo Blattstengel ebenfalls als Einzelmotiv auftreten. In
der Nordkirche wurden - soweit dies die Fragmente und
das Photo Butlers erkennen lassen — nur einfache Ran-
kenelemente mit den charakteristischen Stengeln kom-
biniert, während in der Klosterkirche Rankenelemente
von Typ 2 g und 2 m (Abb. 2) sowie Stengel mit gespal-

tener Spitze zusammen in einem Blatt auftreten (Taf.
17a. b).
Ebenfalls direkt mit dem Befund in der Hallawiya ver-
gleichbar ist die merkwürdige Darstellung der Ranken-
elemente von Typ 2a (Abb. 2a. c. 1. o), die sich bei kei-
nem der aus der Ranke herausgelösten Motive des
5. Jahrhunderts findet: Sie beginnen als Halbblatt, doch
ihre Spitze mit den aufgebogenen, augenbildenden
Innenzacken ist beidseitig gezackt. Es fehlen jedoch die
Negativmuster in der Fläche der Blattspitze, die wir in
der Madrasa vorfanden (Taf. 4a), und ebenso die Nega-
tivdreiecke zwischen Mittelsteg und „Blattlappen“.
Türen der Südfassade. Beide Türen der S-Fassade sind
in situ und mit ihnen die ganze Außenwand mit ihrem
oberen Abschlußgesims (Taf. 13a). Bei der SO- wie der
SW-Tür setzt sich die Profilfolge der seitlichen Gewände
umlaufend auf dem Sturz fort und rollt sich an den unte-
ren Enden volutenförmig nach oben ein (Taf. 13c). Das
Gesims des Sturzes wird von einem schweren oberen
Wulstprofil bekrönt, das ein niedriger glatter Fries von
der umlaufenden Profilfolge trennt (Taf. 12e; 13a. d. e).
Die Zeichnung der SO-Tür (Taf. 12e) zeigt als Ele-
mente der umlaufenden Profilfolge eine hohe Außenlei-
ste, ein cyma recta, einen von flachen Leisten gerahmten
Rundstab und zwei Faszien. Im Zentrum der Gesims-
folge des auflagernden Blockes sitzt ein Kreuzmedaillon
umgeben von einem Blättchenkranz. Die Profilfolge wie-
derholt sich bei ber SW-Tür, doch zeigt dort das zentrale
Medaillon eine Blattrosette im Kreuzschema (Taf. 3d).
Auffallend ist, daß das rechte Seitengewände der SO-
Tür reich ornamentiert ist, während das linke und der
auflagernde Gesimsblock ohne Dekor sind (Taf. 13a).
Die von zwei Steinmetzen ausgearbeiteten Ornamente
des rechten Gewändes haben zumindest im Reichtum
ihes Dekors eine Parallele in der SO-Tür der Klosterkir-
che von Deir Setä (Taf. 18), doch wiederholt sich weder
dort noch in einem anderen Bau des Kalksteinmassivs die
äußerst geübte, von Eleganz und hoher Präzision ge-
prägte Ausführung aller Details.
Die Ornamentfolge der SO-Tür (Taf. 13c) beginnt
innen mit einer Reihe kleiner spitzer Blättchen, auf die
ein Blattfries mit dunkel schattenden Dreiecksmustern,
bekannt aus der Formenwelt von Q. Simcän folgt. Über-
raschend ist der Dekor des Rundprofils: Das Motiv der
Palmettenreihe - doppelgesträhnte, eine geschlossene In-
nenform bildende Einzelblättchen -, das unmittelbar an
die Kämpferkapitelle von Qasr ibn Wardän erinnert
(Taf. lOa.b), war im 6. Jahrhundert ein im hauptstädti-
schen Bereich häufig auftretendes, nicht auf die Baude-

119 Die Innenproportionen und die Gesamthöhe von 93 cm sind so
ungewöhnlich, daß ein Messfehler nicht auszuschließen ist. Hinzu-
kommt, daß Duthoit die Blattform offensichtlich nicht ganz richtig
gesehen hat.

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