72 Franz Studniczka, [XXV, i.
pontischen Stadt als freie Nachbildungen auf das Urbild der zu-
gehörigen Reverse, den Bronzekoloß zurückzuführen.
Was uns die kleinen Münzbilder über dieses Werk des
Kaiamis lehren, widerspricht also durchaus nicht der oben aus
äußeren Gründen versuchten Zeitbestimmung, wenn in Rechnung
gestellt wird, daß der Künstler in der Zeit vor Pheidias wurzelte
und daß Kolosse, wie die Parthenos, ruhig strenge Gestaltung
fordern (S. 85).
X. Hermes und Dionysos.
Noch weiter auseinander geht Reischs und mein Urteil wieder
in betreff der längst von Imhoof-Blumer auf tanagräischen Münzen
erkannten Götterbilder, die schon oben aus Anlaß der anders be-
gründeten Vermutung über die böotische Herkunft des alten Kaia-
mis für ihn in Anspruch genommen wurden (S. 39).
Den Hermes Kriophoros zeigen „autonome", jedoch der Kaiser-
zeit angehörige Kupfermünzen der Stadt im British Museum und
in Berlin — die dritte hier zum ersten Mal herausgegeben, —
leider durchweg nur klein und undeutlich (Taf. 6, b1). Aber sie
verraten doch, wie auch Reisch sieht (S. 231), daß der Gott bart-
los war. Er entspricht somit dem von Pausanias zu der Statue
des Kaiamis berichteten Lustrationsbrauch: am Feste des Hermes
Umschrift, ihn darstellend, der schönste Jüngling der Gemeinde,
einen Widder auf den Schultern, die Stadtmauer2). Wer hierin
erst eine nachträgliche Anpassung an die später herrschende Ge-
stalt des Hermes sehen wollte, um irgend einen bärtigen Krio-
phoros auf das tanagräische Kultbild zurückführen zu können3),
der verkannte das lange Fortleben der bärtigen Darstellung des
Gottes, die eben wieder die pergamenische Herme bezeugt hat,
die zähe Beharrlichkeit von Riten, sowie das hohe Alter auch des
1) Nach Imhoof-Blumer und Gardner, Numism. comment. on Pausan. Taf. X
11 und 12 (Journ. of hell. stud. VIII 1887 Taf. 74); vgl. Imhoof in der Numis-
mat. Zeitschr. 1887 S. 29, 106 — 7; Collignon, Hist. de la sculpt. gr. I S. 400.
Kenntnis und Abguß der dritten Münze verdanke ich Dr. Eegling, zugleich mit
der oben gegebenen Zeitbestimmung.
2) Pausan. 9, 22, 1; vgl. von Duhn in den Annali dell' inst. arch. LI.
1879 S. 143; [Friederichs und] Wolters, Gipsabg. ant. Bildw. zu Nr. 418/9.
3) Hauser, Neuatt. Reliefs S. 1 70 A. 3; Overbeck, Gesch. d. gr. Plastik41 S. 280;
vgl. oben S. 18 A.
pontischen Stadt als freie Nachbildungen auf das Urbild der zu-
gehörigen Reverse, den Bronzekoloß zurückzuführen.
Was uns die kleinen Münzbilder über dieses Werk des
Kaiamis lehren, widerspricht also durchaus nicht der oben aus
äußeren Gründen versuchten Zeitbestimmung, wenn in Rechnung
gestellt wird, daß der Künstler in der Zeit vor Pheidias wurzelte
und daß Kolosse, wie die Parthenos, ruhig strenge Gestaltung
fordern (S. 85).
X. Hermes und Dionysos.
Noch weiter auseinander geht Reischs und mein Urteil wieder
in betreff der längst von Imhoof-Blumer auf tanagräischen Münzen
erkannten Götterbilder, die schon oben aus Anlaß der anders be-
gründeten Vermutung über die böotische Herkunft des alten Kaia-
mis für ihn in Anspruch genommen wurden (S. 39).
Den Hermes Kriophoros zeigen „autonome", jedoch der Kaiser-
zeit angehörige Kupfermünzen der Stadt im British Museum und
in Berlin — die dritte hier zum ersten Mal herausgegeben, —
leider durchweg nur klein und undeutlich (Taf. 6, b1). Aber sie
verraten doch, wie auch Reisch sieht (S. 231), daß der Gott bart-
los war. Er entspricht somit dem von Pausanias zu der Statue
des Kaiamis berichteten Lustrationsbrauch: am Feste des Hermes
Umschrift, ihn darstellend, der schönste Jüngling der Gemeinde,
einen Widder auf den Schultern, die Stadtmauer2). Wer hierin
erst eine nachträgliche Anpassung an die später herrschende Ge-
stalt des Hermes sehen wollte, um irgend einen bärtigen Krio-
phoros auf das tanagräische Kultbild zurückführen zu können3),
der verkannte das lange Fortleben der bärtigen Darstellung des
Gottes, die eben wieder die pergamenische Herme bezeugt hat,
die zähe Beharrlichkeit von Riten, sowie das hohe Alter auch des
1) Nach Imhoof-Blumer und Gardner, Numism. comment. on Pausan. Taf. X
11 und 12 (Journ. of hell. stud. VIII 1887 Taf. 74); vgl. Imhoof in der Numis-
mat. Zeitschr. 1887 S. 29, 106 — 7; Collignon, Hist. de la sculpt. gr. I S. 400.
Kenntnis und Abguß der dritten Münze verdanke ich Dr. Eegling, zugleich mit
der oben gegebenen Zeitbestimmung.
2) Pausan. 9, 22, 1; vgl. von Duhn in den Annali dell' inst. arch. LI.
1879 S. 143; [Friederichs und] Wolters, Gipsabg. ant. Bildw. zu Nr. 418/9.
3) Hauser, Neuatt. Reliefs S. 1 70 A. 3; Overbeck, Gesch. d. gr. Plastik41 S. 280;
vgl. oben S. 18 A.