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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Walden, Herwarth: Grosses Theater: In vielen Kritikern
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0033
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werfer bestrahlen lässt. Welch ein Spar-
takus. Der dümmste Schutzmann kann ihn
bei der Beleuchtung verhaften. Aber Spar-
takus Schilling kann sich auch in neuen
Sätzen überstürzen:
Spartakus: Vergasset ihr? Bin ich allein?
Wollt ihr — mit mir — fernhin — nach
Trakien ziehen —
Dahin, dahin möchte ich mit dir, o du
mein Schilling, ziehen. Er hat aber leider
keine Zeit, da er sich „rechtwinklig nach
rechts drehen muss“:
„Dann zuckt er jäh zur Erde und bricht
zusammen. Die Bühne ist ganz dunkel.
Die Lampen des Kaffees glimmen und be-
ginnen langsam wieder voll zu leuchten.“
Welch ein Aufwand geistiger Gaben. Diese
Bluminationskünste. Und alles ganz neu
mit elektrischem Aufwand. Man schreit
nach Formulierung. Und man schreit nicht
vergebens:
„Nachbemerkung des Herausgebers: Nicht
zufällig steht die Begiebemerkung dieses
Heftes gerade an dieser Stelle: Der Täter
bricht zusammen, der Literat bleibt leben.“
Nun kann uns nichts mehr geschehen.
Unser Schilling bleibt uns erhalten. Er
lebt, er lebt. Und geht er nicht nach
Trakien . . . lieb Sachsenland magst ruhig,
sein, dir bleibt ein Schilling, dir ... zu
sagen, was er leidet. . . .
*
Berliner Tägliche Rundschau: „Die jetzt ex-
pressionistisch angehauchten Berliner Sturm-
brüder Herwarth Walden - William Wauer
legten mit zwei Stücken unter persönlicher
Mitwirkung Proben eines sich selbstüber-
schätzenden Talentes ab, das in richtige
Bahnen gelenkt, der Bühne Beachtliches
schenken könnte.“ Also, Wauer, wir steigen
einmal bei der Täglichen Rundschau ab
und lassen uns in die richtige Nummer
setzen. Man gibt uns noch nicht auf, trotz-
dem wir uns jetzt auch expressionistisch
gebärden. Wir haben uns so überschätzt,
dass wir glauben, es den Herren Hasen-
clever, Schilling und Günther nachmachen
zu können. Zwar ist die Fiametta schon
vor zehn Jahren in Berlin gespielt worden.
Damals hatte sich die Tägliche Rundschau

verfahren. Sie konnte doch die Leute nicht
vorahnen, die wir uachahmen wollten.
Man fährt immer verkehrt, v, erm man nicht
die richtige N ummer weiss ^orange müssen
andere der Bühne Bee. --s scher en.
Da liegt de: llasr Jever.
*
Dresdener Eisenbahn- und Frkmdenzeitung:
„Man war sehr kritisch und Herwarth
Walden ging es h.Vdt gut dabei Sein
Stück ist durchaus nicht dumm und es ist
durchaus nicht schlecht. Man hätte den
Dramatiker Hetwarth Walden au diesem
Abend sehr gern recht ernst genommen,
wenn — nun ja.“ Da liegt der Hase im
Pfeffer.
*
Dresdner Konzert- und Theaterzeitung:
„Diese Kunst appelliert nur an den Gesichts-
sinn und das Gehör, gibt nur sinnfällige
Gestaltu ng, rhythmisch komponierte Form —
wie etwa die Sätze einer Symphonie in
ihrer kunstgemässen Verknüpfung—Kontra-
punktik des dichterischen Erlebnisses — und
überlässt es dem Aufnehmenden, ob dabei
neben Gefühl und Trieb auch sein Verstand
exzitiert wird, was wie gesagt, garnicht die
oberste Absicht ist. Innerste Absicht ist
die Bühnenkomposition, für die das einzelne
Genre nur Mittel zum Zweck wird: zu dem
Zweck, Empfindungen auszulösen.“ Dies
schreibt der einzige Kritiker, über den die
Kunststätte Dresden verfügt.
*
Es gibt nichts Grösseres, als über das hin-
wegzukommen, was man Persönlichkeit
nennt. Sich einer Sache aufzuopfern. Sich
der Kunst zu opfern. Werkzeug zu sein.
Hier wurde das Spiel Ernst und der Ernst
Spiel. Durch diese Aufführung des Albert-
Theaters wurde die Bühne wieder zur
Kunst gereinigt. Ein Gleichnis des Ver-
gänglichen gestaltet. Mit Menschenopfer:
Künstlerehrgeiz, unerhört.
Hier wurde aus der Zeit für die Zeiten
geschaffen.
Für die Geschichte seien hier die Namen
hingebenden Künstlerwillens verzeichnet:
 
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