verleugnet: im „mechanischen Ballett“ (Kurt
Schmidt, Teltscher, Bögler). Die Verquickung
von Mensch und Maschine bewirkt grauen-
vollen Prothesenspuk, der künstlerischen
Sphäre entrückt, sobald diese Wirkung ab-
sichtslos erfolgt. Ganz abstrakt, in seinem
Bau und seinen Wirkungen der musikalischen
Kammerkunst verwandt, die „reflektorischen
Lichtspiele“ von L. Hirschfeld-Mack. In ele-
mentare Formen gegrenzte Farbflecke er-
scheinen, verblassen, verschwinden, ordnen
sich, dem Rhythmus und der Dynamik einer
Begleitmusik gehorchend, auf einem Trans-
parent. Die Zufallsordnung des Kaleidos-
kopes nach künstlerischen Gesetzen auswer-
tend.
Die letzten Konsequenzen zieht die „elek-
tromechanische Schau“ von El Lissitzky. Der
Maschinenmeister ist nicht mehr Diener son-
dern Regent. Eine Art Klaviatur vermittelt
die Befehle für Auftritt, Bewegung, Aktion
der Spielmaschinen. Nur allgemeingiltige, all-
gemeinverständliche Typen und Symbole ver-
bürgen hier eine massenbewegende Wirkung.
Die Schaumaschinerie ist räumlich stark be-
tont, doch der einseitigen Sicht unterworfen.
Die Folgerungen aus der Forderung nach viel-
sichtiger Geltung der Raumspielfigur ließen
die Figurinen von Oskar Schlemmer zum
„Triadischen Ballett“ entstehen. Die kreisel-
förmigen Figurinen verbergen etwa die Hände
in einer sphärisch den Leib umgebenden Hülle,
den Kopf in einer Art Taucherhelm. Noch ist
hier durch stilisierte Andeutung eines Ge-
sichts ein Vorn und Hinten gegeben. Ein
Schritt weiter, und die Führung des Mundein-
schnitts um den ganzen Helm herum oder die
Einsetzung von zehn Augen ergibt die R u n d-
maske für das im Zentrum des
Zuschauerraumes geführte, dynami-
sche Spiel.
Die Forderung, dem Schauspiel technisch
etwa den präzisen Ablauf einer Symphonie zu
sichern, führte zu den Versuchen, eine Spiel-
partitur aufzustellen. (Moholy-Nagy zu seiner
„mechanischen Excentrik“; Lothar Schreyer
zu seiner „Kreuzigung“). Die „futuristische“
Bühnentechnik der Italiener unter Führung
von Enrico Prampolini erzielt mit Hilfe einer
chromatischen Komponente und klarer archi-
tektonischer Großformen (insbesondere Pa-
naggi) die Neugestaltung des Bühnenbildes.
Die psychische Wirkung der einzelnen Farb-
töne des Spektrums wird bühnendynamisch
zur Interpretation der dramatischen Hand-
lung verwendet (das Farbentheater von A.
Ricciardi, Rom). Die Farbe spielt hier im
Chromodram (diese Wortbildung sei
wegen des Vergleichs gestattet) zum ersten
Male jene untermalende Rolle, die der Musik
im Melodram zukommt. Aber auch auf die-*
sen Wegen zur Gewinnung einer dynamischen
Komponente wird das mechanische Ballett
erreicht. (Prampolini und Depero: „Psico-
logia di Macchina“).
Die in ihren plastischen Elementen mechani-
sche Szene bewegt sich in Rhythmen, die den
Bewegungen der durch mechanische Masken
entmenschlichten Tänzer gleichgeordnet sind.
Der beabsichtigte Querschnitt durch die The-
aterentwicklung Europas in dieser Ausstel-
lung legte selbstverständlich auch Entwick-
lungsstufen bloß, die gegenüber den Entwick-
lungszentren wesentlich überholt erscheinen.
Finnen und Czechen stecken noch sehr im
Bildmäßigen der Szene. Versuche den Raum
zu erobern, finden sich am deutlichsten bei
dem Finnen 0. Hinvikallio, bei dem czechi-
schen Architekten Vlatislav Hof man.
In Oesterreich scheinen die Versuche einer
neuen Bühnengestaltung mehr von der tech-
nisch-formalen Seite her unternommen. Die
„Ringbühne“ Oskar Strnad’s und die „Wür-
felbühne“ des Architekten Hans Fritz bedeu-
ten eine Art Oekonomisierung des Szenen-
wechsels. Beide Bühnenformen bedingen
keine wesensverwandte Aenderung des
Bühnenspiels, wie dies etwa die. „Normal-
bühne“ von Kurt Schwitters mit ihren elemen-
taren Formen oder selbst die Stilbühne des
Stuttgarters Fritz Schuhmacher erfordert.
Das Stegreiftheater (Dr. Moreno Levy — Ar-
chitekt Hönigsfeld) stellt, ähnlich wie das fu-
turistische" „Theater der Ueberraschungen“
(Teatro della sorpresa) oder wie die „Merz-
bühne“ von Kurt Schwitters einen heute un-
tauglichen Versuch dar, die Masse in das
Spiel zu ziehen. Die Improvisation, dem
Schauspieler oder dem ins Spiel gezogenen
Zuschauer — der also zum Zuspieler wird —
anvertraut, ist von Gestern, wie der „bezif-
ferte Baß“ oder die „Kadenz“ des Opern-
tenoristen.
Auf dem Wege zum „Theater der Zeit“ liegt
der Entwurf der „Werkstätten für Massen-
form“, die den Spielraum zungenartig in den
Zuschauerraum ragen läßt. Ein versenk- und
hebbarer zylindrischer Teil dieser Bühne
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Schmidt, Teltscher, Bögler). Die Verquickung
von Mensch und Maschine bewirkt grauen-
vollen Prothesenspuk, der künstlerischen
Sphäre entrückt, sobald diese Wirkung ab-
sichtslos erfolgt. Ganz abstrakt, in seinem
Bau und seinen Wirkungen der musikalischen
Kammerkunst verwandt, die „reflektorischen
Lichtspiele“ von L. Hirschfeld-Mack. In ele-
mentare Formen gegrenzte Farbflecke er-
scheinen, verblassen, verschwinden, ordnen
sich, dem Rhythmus und der Dynamik einer
Begleitmusik gehorchend, auf einem Trans-
parent. Die Zufallsordnung des Kaleidos-
kopes nach künstlerischen Gesetzen auswer-
tend.
Die letzten Konsequenzen zieht die „elek-
tromechanische Schau“ von El Lissitzky. Der
Maschinenmeister ist nicht mehr Diener son-
dern Regent. Eine Art Klaviatur vermittelt
die Befehle für Auftritt, Bewegung, Aktion
der Spielmaschinen. Nur allgemeingiltige, all-
gemeinverständliche Typen und Symbole ver-
bürgen hier eine massenbewegende Wirkung.
Die Schaumaschinerie ist räumlich stark be-
tont, doch der einseitigen Sicht unterworfen.
Die Folgerungen aus der Forderung nach viel-
sichtiger Geltung der Raumspielfigur ließen
die Figurinen von Oskar Schlemmer zum
„Triadischen Ballett“ entstehen. Die kreisel-
förmigen Figurinen verbergen etwa die Hände
in einer sphärisch den Leib umgebenden Hülle,
den Kopf in einer Art Taucherhelm. Noch ist
hier durch stilisierte Andeutung eines Ge-
sichts ein Vorn und Hinten gegeben. Ein
Schritt weiter, und die Führung des Mundein-
schnitts um den ganzen Helm herum oder die
Einsetzung von zehn Augen ergibt die R u n d-
maske für das im Zentrum des
Zuschauerraumes geführte, dynami-
sche Spiel.
Die Forderung, dem Schauspiel technisch
etwa den präzisen Ablauf einer Symphonie zu
sichern, führte zu den Versuchen, eine Spiel-
partitur aufzustellen. (Moholy-Nagy zu seiner
„mechanischen Excentrik“; Lothar Schreyer
zu seiner „Kreuzigung“). Die „futuristische“
Bühnentechnik der Italiener unter Führung
von Enrico Prampolini erzielt mit Hilfe einer
chromatischen Komponente und klarer archi-
tektonischer Großformen (insbesondere Pa-
naggi) die Neugestaltung des Bühnenbildes.
Die psychische Wirkung der einzelnen Farb-
töne des Spektrums wird bühnendynamisch
zur Interpretation der dramatischen Hand-
lung verwendet (das Farbentheater von A.
Ricciardi, Rom). Die Farbe spielt hier im
Chromodram (diese Wortbildung sei
wegen des Vergleichs gestattet) zum ersten
Male jene untermalende Rolle, die der Musik
im Melodram zukommt. Aber auch auf die-*
sen Wegen zur Gewinnung einer dynamischen
Komponente wird das mechanische Ballett
erreicht. (Prampolini und Depero: „Psico-
logia di Macchina“).
Die in ihren plastischen Elementen mechani-
sche Szene bewegt sich in Rhythmen, die den
Bewegungen der durch mechanische Masken
entmenschlichten Tänzer gleichgeordnet sind.
Der beabsichtigte Querschnitt durch die The-
aterentwicklung Europas in dieser Ausstel-
lung legte selbstverständlich auch Entwick-
lungsstufen bloß, die gegenüber den Entwick-
lungszentren wesentlich überholt erscheinen.
Finnen und Czechen stecken noch sehr im
Bildmäßigen der Szene. Versuche den Raum
zu erobern, finden sich am deutlichsten bei
dem Finnen 0. Hinvikallio, bei dem czechi-
schen Architekten Vlatislav Hof man.
In Oesterreich scheinen die Versuche einer
neuen Bühnengestaltung mehr von der tech-
nisch-formalen Seite her unternommen. Die
„Ringbühne“ Oskar Strnad’s und die „Wür-
felbühne“ des Architekten Hans Fritz bedeu-
ten eine Art Oekonomisierung des Szenen-
wechsels. Beide Bühnenformen bedingen
keine wesensverwandte Aenderung des
Bühnenspiels, wie dies etwa die. „Normal-
bühne“ von Kurt Schwitters mit ihren elemen-
taren Formen oder selbst die Stilbühne des
Stuttgarters Fritz Schuhmacher erfordert.
Das Stegreiftheater (Dr. Moreno Levy — Ar-
chitekt Hönigsfeld) stellt, ähnlich wie das fu-
turistische" „Theater der Ueberraschungen“
(Teatro della sorpresa) oder wie die „Merz-
bühne“ von Kurt Schwitters einen heute un-
tauglichen Versuch dar, die Masse in das
Spiel zu ziehen. Die Improvisation, dem
Schauspieler oder dem ins Spiel gezogenen
Zuschauer — der also zum Zuspieler wird —
anvertraut, ist von Gestern, wie der „bezif-
ferte Baß“ oder die „Kadenz“ des Opern-
tenoristen.
Auf dem Wege zum „Theater der Zeit“ liegt
der Entwurf der „Werkstätten für Massen-
form“, die den Spielraum zungenartig in den
Zuschauerraum ragen läßt. Ein versenk- und
hebbarer zylindrischer Teil dieser Bühne
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