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Sturm (Berlin)
Jan Zrzavy, Gemälde - Plakate der I.V.: hundertfünfundvierzigste Ausstellung, Oktober 1925, Ständige Kunstausstellung, Berlin — Berlin: Der Sturm, 1925

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74425#0009
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Es versteht sich von selbst,; dass die strenge Ideenverwirklichung,
als welche die Kunst Zrzavys zu verstehen ist, notwendig mit einer
starken Beherrschung der technischen Mittel verknüpft sein muß, wenn
sie zum Kunstwerk führen soll. Zrzavy liebt eine gründliche und
gerechte Beziehung zum Material, seine Linienführung bei Zeichnungen,
bei Tiefe der Farben und ihre Behandlung sind von einer technischen
Reife, die ihre Analogien nur in klassischen Zeitaltern hat. In der Be-
herrschung der Formen erweist der Fünfundreizigjährige heute eine
Meisterschaft, die zu Petrefakten führen müsste, wenn er nicht innerlich
ein ewig Werdender wäre, dessen Ideen immer noch wirklicher sein
wollen als in der Malerei überhaupt möglich scheint. Die Plastizität
Zrzavys verwirklicht eine über die Dreidimensionalität des Skulpturen-
raums hinausgehende Räumlichkeit und ermöglicht der Idee einen
Realisierungsprozeß, den sie in der Fläche des Impressionismus oder
des Klassizismus, im Dreiraum der Bildhauerkunst niemals durchmachen
könnte.
Nur wer sich selbst morden kann, vermag ein Kunstwerk zu
schaffen. Künstler sein heißt: Sich selbst morden. Zrzavy schließt
keine Kompromisse. Er macht aus seiner Kunst kein Geschäft. Die
glänzenden Lebensbedürfnisse eines ruhmvollen Zeitgenossentums sind
ihm fremd; einer Sache nur durch seine bloße Namenssignatur Verkaufs-
wert zu erteilen versteht er nicht, was er malt, ist prinzipiell unantast-
bar und er malt lieber wenig und lebt als Armer in der kümmerlichen
Rue Pouchet zu Paris. Er hütet sich, modisch zu werden, meidet ein
dekoratives Dasein und die Größe seiner Kunst und die Unfähigkeit, sich
zu vermindern, wird ihn davor bewahren, ein Bombenerfolg zu werden.
Unter seinen Volksgenossen wollte und will man Zrzavy auch
heute noch nicht anerkennen. Man betrachtet ihn als ein wunderliches
Fabelwesen, und die Kollegen seines Metiers lieben ihn nicht sehr.
Denn Zrzavy neben sich zu haben, ist äußerst anstrengend, rüttelt
das Gewissen auf, zwingt zur Reinheit und stellt alles Unwesentliche
in einen erbarmungslosen Lichtkegel. So müßte sich, wer ehrlich mit sich
umgeht, neben Zrzavy auf einen Bruchteil seiner selbst reduzieren
und das ist unbequem. Die Unehrlichen aber finden eine Ausrede darin,
dass sie einfach die Existenz Zrzavys selbst leugnen. Zrzavy
aber lebt und wird leben.
Johannes Urzidil

Anmerkung: Es war nicht möglich für die gegenwärtige Kollektivausstellung
einige der wichtigsten Bilder des Künstlers aus privaten Sammlungen zu erlangen. Die
Kontinuität seiner Entwicklung ist zu überblicken, in der Monographie ,,J an Zrzavy"
(an der Kasse der Ausstellung und in der Sturmbuchhandlung, Berlin, Potsdamer Straße 138,
erhältlich).
 
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