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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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7. Heft
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Ring, Thomas: Die Krise des Imperialismus
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0139
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durch eine nichtkapitalistische Presse, eine
solche die nicht vom Verschweigen der
für den Besitzlosen grundlegenden Dinge
lebt, überzeugen. Der heutige Staat kann
ja auch garnicht eingreifen, da er selbst
kapitalistisch fundiert ist und immer mehr
zum Werkzeug einiger weniger Konzerne
wird. Geld-Kapitalismus geht mit Idee-
Kapitalismus Hand in Hand. Die Feudal-
gliederung des alten Kirchenstaats wurde
abgelöst von den Konzernen der Wissen-
schaften, die ein bestimmt gemünztes (auf
optische Beobachtung geprägtes) Wissen
umsetzen, ängstlich auf Verteilung der
Direktions- und Aufsichtsratsstellen ihrer
Fakultäten und auf Heranzüchtung eines
im gleichen Prinzip denkenden Nachwuchses
bedacht sind. Wir müssen also, um das
Prinzip des Vorrechts auf Grund eines in
Münze verwandelbaren Besitzes (Kapitalis-
mus) oder eines in Gewalt umsetzbaren
Expansionsdrangs (Imperialismus) zu ver-
stehen, schon tiefer in die Natur des
Menschen eindringen und das Verhältnis
des Einzelnen zu seiner gesellschaftlichen
Funktion betrachten.
Jeder hat einen dialektischen Zwiespalt in
sich. Denn was ist Dialektik schließlich
anderes als das Durchdenken von Frage-
stellungen die an uns herantreten, weil
wir nicht allein auf der Erde sind. Das
Leben fordert von uns Entscheidungen, so?
oder so? gruppieren sich Thesen und Anti-
thesen, Gedanken für die von außen an-
geregte Sache oder dagegen, in uns. Jeder
ist grundsätzlich in der gleichen Lage,
steht als Einzelwesen einer Kollektivität
von toten und lebendigen Dingen gegen-
über, die sich zu immer wieder anderen
Erscheinungsbildern und Forderungen zu-
sammentun. Der eine Faktor des Zwie-
spalts bleibt immer der gleiche, er ist das

entscheidungsfähige Ich, der andere Faktor
ändert sich mit der Lage der Dinge. In
diesem Hin und Her des Gegenfaktors zu
uns selbst suchen wir nach Ruhe, Gleich-
mass, Beständigkeit. Wir finden sie in
Wiederholung von Dingen und erhalten
dadurch Merkpunkte für das Verfolgen der
Kausalität in der Entwicklung. Man ver-
folgt wiederholt dieselben Interessen, gründet
ein Heim, behält einen bestimmten Beruf
bei, braucht also nicht täglich sich neu zu
orientieren, den Wohnort oder die Dinge
seiner Wohnung wechseln, eine neue Fertig-
keit lernen. Tritt man dann verändert vor
die gleiche Sache so erkennt man seine
Änderung. Der Bürger hält sich bestimmte
Familienbeziehungen, um mit bestimmten
Menschen den Fortschritt der aussen sich
ändernden Dinge durchzusprechen.
Egozentrisch gesehen erscheinen die Dinge
so in Ordnung, mit der Wahl nach ihrer
Eignung und dem Behalten nach persön-
licher Freude scheint genug getan. Jedes
Ego hat sein Imperium, jedes Ich seine
Befehlsgewalt. Aber auch der Egoismus
kann krank sein, zu genügsam gegenüber
der von aussen möglichen lebendigen Er-
neuerung, man sperrt sich gegen Än-
derungen ab wenn man sich nicht mehr
zutraut, sie zu bewältigen. Nicht nur die
Menschen sondern sogar die Dinge, mit
denen wir umgehen, haben ihre Eigen-
willigkeit und wenn unser Lebensgefühl
nicht ebenso wachsam als unser Ruhebe-
dürfnis mächtig ist, werden wir zu ihren
Sklaven. Jeder bei dem der gesunde, der
dem Leben dienende Egoismus aussetzt,
wird zum Sklaven der sich wiederholenden
Lebensformen; des Lebens mit einem per-
sönlich bestimmten Mann oder einer Frau,
des Angewiesenseins auf bestimmte Vorge-
setzte und Untergebene oder eines be-
 
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