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Sybel, Ludwig von
Christliche Antike: Einführung in die altchristliche Kunst (Band 2): Plastik, Architektur und Malerei — Marburg, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.17653#0057
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Tektonik der Sarkophage.

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den Hinterbliebenen des Verstorbenen die Besteller seines Sarges zu sehen. Das wird
auch für viele Fälle zutreffen, z. B. beim Tode eines noch nicht selbständigen Kindes.
Es konnte aber sein, und es wird durch viele Grabschriften bezeugt, daß einer den
Steinsarg, der ihn dereinst aufnehmen sollte, bei Lebzeiten bestellte, für sich und etwa
für seine Frau; vielleicht, und dafür scheint einiges zu sprechen, beim früheren Tode
der Gattin, vielleicht aber auch unabhängig hiervon. Solche frühzeitige Fürsorge lag
durchaus im antiken Charakter. Man konnte nun entweder einen fertigen Sarg kaufen
oder einen neuen eigens herstellen lassen, damit er ganz dem eigenen Sinn entspreche.
Es gab auch halbfertige Arbeit, die dann nach dem Fall beendigt wurde. Ein letztes
aber war auch nicht ausgeschlossen, nämlich die Wiederbenutzung eines alten Sargs.
Auch dafür gibt es Belege.1)

Tektonik der Sarkophage.

Eine Übersicht der christlichen Sarkophagtypen hat Wittig in der Einleitung
seiner „Altchristlichen Skulpturen“ gegeben, freilich weniger in systematischer als in
chronologischer Absicht. Wir werden sowohl im tektonischen wie im stilgeschichtlichen
Abschnitt mit den dort aufgestellten Klassen zu tun haben.2 3)
Die tektonischen Typen der christlichen Sarkophage stammen aus der heidnischen
Sepulkralskulptur, sowohl nach der Grundform wie nach der künstlerischen Durchbil-
dung; die Antike bleibt sich auch auf diesem Gebiete treu. Und wenn wir bei den
Christen Spielarten finden sollten, die nicht ganz ebenso bei den Heiden vorkamen, oder
selbst weitergehende Neubildungen, so bliebe auch dies künstlerisch im alten Geleise.
Von den heidnischen Sarkophagen müssen wir ausgehen, wollen wir die christlichen
verstehen.
Eine erschöpfende, alles charakteristische Material aufarbeitende und verarbeitet
vorlegende Tektonik der heidnischen Sarkophage besitzen wir noch nicht, wohl aber
eine vorbereitende Untersuchung über das Formale von der Hand Walter Altmanns.
Aus genauer Vertrautheit mit dem ganzen Gebiet der antiken Grabskulptur hervor-
gegangen, legt sie auf dem Grund der bislang geleisteten Arbeit in selbständigem Vor-
gehen wichtige Punkte fest. Wir werden da anknüpfen.8)
Es empfiehlt sich, eine Klassifikation gleich hier herauszuheben. Eine „römische“
Klasse wird unterschieden von einer „griechischen“ und von einer Sonderart gemischten
Charakters, die man „griechisch-römisch“ nennt. Die „römischen“ Sarkophage sind
Kasten mit schlichten Randleisten, die Flächen gefüllt mit figürlichen Darstellungen;
außer der Vorderseite wurden auch die Schmalseiten verziert, aber mehr nebensächlich;
die Rückseite blieb leer, weil sie gegen die Gruftwand geschoben wurde. Die „griechischen“
Sarkophage haben stark profilierten und reich ornamentierten Sockel und Sims; weil
*) Der kapitolinische Endymionsarkophag bei Robert, Antike Sarkophagreliefs III i 40 ist
wieder verwendet für eine Gerontia.
2) Wittig, Altchristliche Skulpturen im Campo santo, Einleitung.
3) W. Altmann, Architektur und Ornamentik der antiken Sarkophage, Berlin 1902.
 
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