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42

Plastik.

übermäßige und aufdringliche Anwendung des Bohrers als ein Zeichen sinkenden Ge-
schmacks. Bei unfertigen Sarkophagen aber hat man das Fehlen oder die erst mäßige
Anwendung von Bohrerarbeit nicht immer als Zeichen früherer Entstehungszeit, sondern
bloß eines früheren Stadiums der Arbeit anzusehen.1)
Zum Technischen der antiken Skulptur gehört als letztes, aber nicht unwesentliches
Stück die Polychromie. Auch die beste verblaßt in Wind und Wetter, nach Um-
ständen auch unter der Erde. Die schwachen Spuren wurden in den Jahrhunderten
seit der Renaissance teils nicht beachtet, teils im Zusammenhang mit jenen unheilvollen
Ergänzungen und Überarbeitungen ausgetilgt. Erst seit im neunzehnten Jahrhundert
die Frage der Polychromie zur Erörterung kam, begann man die Spuren zu beachten
und zu schonen, aufzuzeichnen und farbig zu veröffentlichen. Es fand sich, daß un-
plastische, aber für den Eindruck wichtige Momente der Erscheinung aufgetragen
wurden, z. B. so wichtige wie Pupille und Iris des Auges, aber auch die Farbe des
Haars, der Lippen, der Gewandmuster. Ob auch die Oberfläche der Gestalt im ganzen
getönt wurde, gar des Nackten, blieb fraglich. Es mögen diejenigen Recht behalten,
welche den antiken Bildhauern darin Spielraum lassen wollen; in der Tat will es
scheinen, als ob die Aufgabe zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen
verschieden gelöst worden sei. Das Gesagte gilt wie für die heidnische so für die
christliche Skulptur. Nachdem schon zuvor öfter Spuren von Polychromie au alt-
christlichen Bildwerken bemerkt worden waren, haben insbesondere Swoboda und
Ficker solche genauer verzeichnet.2)
Die Sarkophage wurden in Werkstätten von Bildhauern hergestellt, die der-
gleichen Arbeit lieferten. Spuren von antiken Bildhauerwerkstätten haben sich bei Aus-
grabungen gefunden; bei dem kolossalen Bedarf an Skulpturen in den ersten drei Jahr-
hunderten der Kaiserzeit muß es viele und große Ateliers gegeben haben. Und ein
jedes wird, gerade für Artikel wie Sarkophage, einen Kundenbezirk besessen haben,
der im großen und ganzen durch seine Lage bedingt war. An den erhaltenen Sarko-
phagen lassen Gleichartigkeiten in der Arbeit auf Ursprung aus derselben Werkstatt
schließen. Jedes Atelier hatte seine Eigenheiten, seine Tradition, bei aller Einheitlich-
keit der gleichzeitigen Kunstübung im ganzen.
Aber wer waren die Besteller? Zunächst muß man festhalten, daß die Besteller
von Marmorsärgen auf alle Fälle den wohlhabenderen Klassen angehörten, denselben, die
etwa in den Katakomben ganze Kammern für sich belegten. Das wird auch durch die
vorkommenden Porträts bestätigt. Sodann wird man geneigt sein, in erster Linie in

Nur mit dem Meißel angelegt ist beispielsweise ein bacchischer Sarkophag im Thermen-
museum. Ein berühmter christlicher Sarkophag aus Sankt Paul vor den Mauern, Lateran n. 104,
ist in manchen Teilen unfertig, es fehlt fast die ganze Bohrerarbeit [Abb. 37], An Lat. n. 184
steckt eine ganze Figurengruppe noch im Stein [Abb. 38], An heidnischen wie an christlichen
Sarkophagen, die auf Vorrat gearbeitet waren, sind die vorkommenden Porträts der Verstorbenen
häufig nur abbozziert; sie hätten für den Fall fertig gemacht werden sollen, das ist aber oft unter-
blieben. Dergleichen ist nur am Original oder an Photographien zu beobachten [Abb. 4]. — Die
Bohrerarbeit im Betrieb ist in Graffito am Sarkophag des „heiligen und gottesfürchtigen Eutropos“
dargestellt: der Bildhauer sitzt auf einem Treppenstuhl vor dem in Arbeit befindlichen Sarkophag,
einer Wanne mit symmetrischen Riefeln und zwei Löwenköpfen, und hat den Bohrer an den einen
Löwenkopf angesetzt, ein Gehilfe drillt ihn mittels eines Riemens. Wilpert, Malereien 476 Fig. 42.
Kaufmann, Handbuch 492 Fig. 181; aber warum soll ayioc „heiligmäßig“ heißen und nicht heilig?
2) Swoboda, Römische Quartalschrift 1887, 100. 1889, 134. Ficker, Altchr. Bildwerke 1890, 91.
 
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