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62

Plastik.

Kurz nachher legte Strzygowski eine verwandte Hypothese über die Entstehung
des Typs jener kleinasiatischen Gruppe der Tabernakelsarkophage vor. Wie schon
Altmann die antoninischen Säulensarkophage mit der gleichzeitigen Wandmalerei ver-
glichen hatte, so brachte Strzygowski sie mit einer Sondergruppe des pompejanischen
vierten Stils zusammen. Puchstein zufolge hat sie das Bühnenbild für ihre dekorativen
Zwecke verwendet; auf Puchsteins Anregung hat Cube aus diesen Wanddekorationen
die Scenae frons wiederzugewinnen gesucht. Von solchen Theaterfassaden sei nun auch,
denkt Strzygowski, der fragliche Sarkophagtyp inspiriert, die Tabernakel seien die Vor-
hallen der drei Türen. Freilich stimmt die pompejanische Malerei mit dem Sarkophagtyp
insofern nicht überein, als die Bögen dort über die Wandstücke, hier über die Neben-
türen zu stehen kommen. Ein in den Malereien wesentliches Element fehlt den Sarko-
phagen, drei zur Bühne hinaufführende Treppen; doch findet Strzygowski das Taber-
nakel mitsamt vorliegender Treppe an einem berühmten Londoner Elfenbeindiptychon,
dessen Betrachtung wir zurückstellen müssen. — Die dekorative Wandmalerei der
Kaiserzeit hat sich in ihren verschiedenen Abwandelungen entwickelt aus einer und
derselben Grundlage, nämlich der naturalistischen, das will sagen, eine gewisse plastische
Illusion bezweckenden Architekturmalerei, die zuerst in Häusern der sullanischen Periode
Pompejis uns bekannt wurde (dem sog. zweiten Stil). August Mau vermutete, der
Übergang in den ornamentalen dritten Stil habe sich in Alexandria vollzogen, den
Übergang dagegen in den barocken vierten Stil möge eine parallele Entwicklung in
einem andern Zentrum des Ostens, etwa in Antiochia, gezeitigt haben; der dritte Stil
sei infolge des Siegs von Actium nach Italien gekommen, nachher aber, als man seiner
müde wurde, in der neronischen Zeit, von dem vierten Stil abgelöst worden. Strzygowski
findet in Maus Hypothese eines vielleicht antiochenischen Ursprungs des vierten Stils,
dem auch die dekorative Verwendung des Bühnenbildes gehört, eine Bestätigung seiner
bereits erwähnten eigenen Hypothese von einem antiochenischen Ursprung des Taber-
nakelsarkophags; er entwirft das Gemälde einer weittragenden, von Antiochia aus-
strahlenden Wirkung des Theaters auf die Gebiete der Malerei und Skulptur, in der
Malerei belegt durch den pompejanischen vierten Stil mit seinen Bühnenbildern, in der
Skulptur durch die Tabernakelsarkophage; unter demselben Einfluß des Theaters stehen
die christlichen Elfenbeinskulpturen, und noch heute bezeugt ihn die Ikonostasis der
griechischen Kirche. So bauen sich Hypothesen auf Hypothesen. Mögen sie sich an
den noch zu findenden Denkmälern bewähren.1)

Architekturen, Baumgänge, Palmen, Weinstöcke.
In jenen Säulenreihen, auch denen mit Tabernakeln, wirkte die Sakralidee des
Heroons oder Tempels. Sie sind wie eine Peristasis, zwischen deren Säulen Statuen
aufgestellt werden konnten; fast wie als Statuen gedacht pflegen die Figuren und
Figurengruppen an den heidnischen Sarkophagen entsprechend auf Basen angeordnet
2) Strzygowski, Journal of hellenic studies 1907, 115—122. — Altmann, Architektur 52.—
Puchstein, Archäol. Anzeiger 1896, 28. — v. Cube, Die römische „scenae frons“ in den pompe-
janischen Wandbildern 1906. — August Mau, Pompeji 1900, 459. Gegen den östlichen Ursprung
des dritten Stils: Studniczka, Tropaeum Traiani 65. — Ikonostasis: Holl, Archiv für Religions-
wissenschaft IX 365.
 
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