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müssen. Fast scheint es, wie wenn die Amerikaner die Unmöglichkeit dieses
zum alleinigen Prinzip erhobenen Rationalismus zu fühlen beginnen. Der
IJntwurf eines Weltzentrums, einer Welthauptstadt (Abb. 65), von zwei
Amerikanern, Andersen und Hebrard stammend, hat im Herzen neben son*
stigen der Bildung und Kunst dienenden Gebäuden als höchste Spitze »den
Turm des Fortschritts« von 320 Metern Höhe. »Er bildet das Zentrum einer
runden Platzanlage, um das die Paläste für wissenschaftliche Kongresse
liegen, alle ausgestattet mitGalerien, Bibliotheken, Bureaus, Kuppeln, Tür?
men und Kolonnaden. Rechts und links erheben sich die Gebäude für den
internationalen Gerichtshof und für den Tempel der Religionen. Eine inter*
nationale Bank und eine Weltbibliothek vervollständigen diese Baugruppe.
Um dieses monumentale Herz der Stadt nun legen sich konzentrisch die
Boulevards mit den Wohnvierteln; den äußersten Ring bildet eine Gartem
zone mit begleitendem Wasserlauf.« Es liegt hier ein Ideenbauen vor, das
zwar outriert erscheint, aber ein Loskommenwollen vom rein Verstandes*
gemäßen ankündet. In eine ähnliche Richtung weist der in den Zeitungen
aufgetauchte Plan einerBündnisstadtander deutsch=österreichischen Grenze,
deren Mittelpunkt verwandten Strömungen entsprechen sollte.

Als das treffendste Beispiel eines solchen Ideenbauens sei zum Schluß der
von edlem Menschentum zeugende Entwurf des Holländers H. P. Berlage
für ein Völkerdenkmal erwähnt (Abb. 69), der ihn mit folgenden Worten
erläutert: »Dieses Pantheon habe ich mir gedacht nach dem Krieg mitten
in Europa auf einem Hügel erbaut, der die Ebene übersieht. Acht Heer*
straßen führen von allen Himmelsrichtungen den Pforten zu. Diese, zwi*
schen denTürmen der Liebe und des Mutes, der Begeisterung und der Be*
sonnenheit, der Wissenschaft und der Macht, der Freiheit und des Friedens
gelegen, welche, Wächtern gleich, die große runde Halle umgeben und
nachts ihr Licht weitaus in die Ferne ausstrahlen, gewähren zum Pantheon
Einlaß. An die Türme grenzen die Höfe der stillen Betrachtung, eingefaßt
durch die Galerien des Gedächtnisses der Gefallenen aller Staaten, die Krieg
geführt haben. Durch die Galerien der Versöhnung schreitet man in den
großen Saal. Dort steht, durch die Galerie des Gedächtnisses umschlossen,
einzig durch das Zenitlicht der Kuppel bestrahlt, das Denkmal der Men-
schensEinheit. Weiter oben liegen die Galerien der Erkenntnis, der Erhebung
der Seele und des allumfassenden Verständnisses. Sodann schließt die Kup-
pel der Völkergemeinschaft den Raum ab.«

Hiermit ist ein Ideenbauen in äußerster Fassung ausgesprochen, ein Kom*

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