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Technau, Werner
Exekias — Forschungen zur antiken Keramik, Heft 9: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.49900#0022
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Das eckige Geklapper der Glieder ornamentaler Figuren ist noch lauter bei dem „affektierten Meister“36.
Andere Zeitgenossen sind älter, wie Lydos37, oder jünger, wie der Lysippides-38 und Andokidesmaler39
und gründen mit ihrem Sein in einer anderen Zeit. Sic war vitaler vor Exekias, preziöser nach ihm. Er
steht als Wegbereiter des tragischen Zeitalters der Griechen einsam unter den Großen seiner Zeit. Und
doch liegt ein Abglanz seines Werkes auf einer ungezählten Reihe von Gefäßen zweiter, selbst dritter Güte.
Was strahlt von seinem Werk aus? Wo liegt die Möglichkeit einer Lehre von seiner künstlerischen Formung
des griechischen Menschen? Wie steht sein Wirken (evspysta) zu seinem Sein (oücda)? Gilt ihm nicht das
Sein des Menschen nur im Tätig-Sein, im Wirken, im Zusammenwirken, in Sympathie und Gespräch?
Muß nicht also die menschlich erweckte Figur in ihrer tragenden Bedeutung für die Komposition des
Bildganzen jene mittelbare Größe sein, die wir suchen?
Die Gestalten des Exekias haben immer die Erinnerung an plastische Bildwerke, an Kuroi, Korai und an
Grabstelen wachgerufen40. Das macht ihr monumentaler Aufbau. Ihre Bewegungen sind geniessen. Ihr
Stehen ist gewichtig. Ob sie sich im geschlossenen Bildfeld der Amphora oder auf der freien Gefäßwand einer
Halsamphora befinden, ob sie ruhig stehen oder sich bewegen, —immer sind sie beherrscht von der Schwere
ihrer körperlichen und geistigen Existenz. Sie verströmen nicht in die Fläche. Ihre Gebärden bleiben in
der Nähe des Körpers. Ihr Leib ist aus klaren und zusammengefaßten Gliedern aufgebaut. Die Figuren
sind von körperlicher Schwere und Gedrungenheit, und doch wachsen sie zu edlen Erscheinungen auf,
voll innerer Spannung und ausdrucksstark im Profil, darin den Formen der Gefäße gleich, die voll Sinn-
lichkeit sind und ganz sie selbst.
Dies Bild des Menschen war übertragbar. Exekias selbst übernimmt es letztlich aus dem epischen Werk
des Kleitias, übersetzt es ins Dramatische. Dies altehrwürdige Menschenbild, das der Lyder durch seine
Ausdrucksfülle sprengte, das der Amasismaler — von einigen Ausnahmen abgesehen — zur bloßen Figür-
lichkeit entleerte, dies Menschenbild fand in der neuen Gestaltung des Exekias Aufnahme bei vielen Zeit-
genossen.
Die Frau im karrierten Peplos, schlicht und voll Ruhe, mit sparsamen Gebärden die Taten der Männer
begleitend, so wie sie Exekias vom Berliner Frühwerk an als Athena, Leda, Mutter, Schwester und Freundin
immer wieder neu gemalt hat, kehrt auf zahllosen Bildern seiner Umgebung wieder. Der Mann im Ernst
der Entscheidung, in seiner statuarischen Ruhe und Macht, in der Kraft seines Tuns ganz er selbst, bleibt
für einige Zeit in den attischen Bildern. Das Pferd, mit dem langen schlanken Leib auf den zierlich festen
Beinen, mit der riesigen breiten Brust, darauf dem steilen geschwungenen „Hirschhals“ und mit dem
griechisch profilierten Kopf voll feuriger Ungeduld, Freund und Gefährte des Menschen, erfüllt in der
Sicht und Prägung des Exekias zahlreiche Bilder mit seinem drängenden Leben. Bis in Einzelheiten der
Zeichnung finden wir es wieder.
Die beiden Pferde Phalios und Kalliphora auf der frühen Onetorides-Amphora des Meisters in Berlin
(Taf. 2) besitzen eine strenge Stilisierung der zusammengeschobenen Hautfalten auf Bug und Kruppe, —

30 Beazley, ABS. 23 und 37.
37 G. M. A. Richter, Metr. Mus. Stud. 4, 1932/33, 169—178.
38 Beazley, ABS. 25 und 38.
39 s. Anm. 2.
10 E. Pottier, Cat. d. vases du Louvre 3, 735. — F. Hauser, FR. 3, 70. —von Lücken, AM. 44,1919, 81f. — Pfuhl, Malerei 267.
L. Curtius, Die antike Kunst 2, 134.

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