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Technau, Werner
Exekias — Forschungen zur antiken Keramik, Heft 9: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.49900#0021
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die solch furchtbarem Geschehen tragische Würde verleihen. Aias, Oidipus, Philoktet, sie sind „ausgesetzt
auf den Bergen des Herzens“27, Alleingelassene aus der Insel der Krankheit, in der Nacht der mörderischen
Blindheit, in der wahnsinnigen Einsamkeit des „Weltberaubten“28.
Exekias ist nicht irgend ein Handwerker, der mit Bildern aus der griechischen Sagenwelt seine Gefäße
verziert, sondern er selber erschafft diese mythische Welt als wirklich und seiend im Bilde, den Dichtern
gleich stiftet er das Sein20 und kündet die tragische Würde des Menschen.
WIRKUNG
Von den 11 Signaturen des Exekias, die wir besitzen30, steht eine auf einer Scherbe in Wien, die nur
noch seinen Namen, nicht aber das Prädikat als Töpfer oder Maler bewahrt hat31. Von den übrigen 10 tragen
zwei den formvollendeten Trimeter E'/csztac Eypacpas zaTto lEG-gp.E, sowie den Lieblingsnamen Onetorides:
die Halsamphora in Berlin und die Amphora im Vatikan. Von den restlichen acht sind zwei weitere sicher
als Werke dieses selben Malers Exekias zu erkennen: die Londoner Halsamphora und die Münchener
Augenschale, beide mit Bildern des Dionysos, die erste ebenfalls mit dem Namen des schönen Onetorides.
Bleiben sechs Gefäße mit der Töpfersignatur, die nicht von des Meisters eigener Hand verziert sind: eine
Amphora im Louvre32, die den schönen Stesias feiert, ein Dinos der Sammlung Castellani33 in der Villa
Giulia und vier Kleinmeisterschalen34.
Nicht nur das eigenhändige Werk des Exekias war größer als er selbst verrät; — es konnte bisher
durch 18 zugeschriebene Werke auf 22 erweitert werden; — auch die Produktion seiner Werkstatt
muß einen bedeutenderen Umfang gehabt haben als aus den Gefäßen mit seiner Töpfer Signatur hervor-
geht. Wir können sie nur ahnen aus der starken Wirkung, die seine Kunst auf die Zeitgenossen aus-
geübt hat. Wie ließe sich aber seine große, tiefe Kunst in Scheidemünze umsetzen? War denn sein Bild
vom Menschen überhaupt veräußerlich? Konnte das eigentliche Wesen seiner Bilder zur Bildung eines
Stils beitragen?
Die Bilder des Amasismalers, seines großen Altersgenossen und Rivalen, sind viel formaler35. Dort
herrscht Dionysos und läßt Satyrn, Mänaden und Komasten tanzen. Wie Marionetten bewegt er die
Figuren, er der Herr der griechischen „Bühne“. In wundervollem Einklang mit der Funktion ihres deko-
rativen Daseins sind sie als Menschen nur „figürlich“ da. Bei Exekias sind die Figuren zu Menschen ge
worden.

27 R. M. Rilke, Späte Gedichte 62.
28 K. Reinhardt, Sophokles 34.
29 Hölderlin: „Was bleibet aber, stiften die Dichter.“ (Ausg. von Hellingrath 4, 63.)
30 Beazley, BSA. 32, 1931/32, 3.
31 J. C. Hoppin, Handbook of Greek black-figured Vases 108 Nr. 10.
32 Louvre F53: Hoppin a. O. 100 Nr. 6. — CVA. Taf. 19/20. — Beazley, ABS. 18. — BSA. 32, 1931/32, 6 Nr. 31. —
hier S. 23.
33 P. Mingazzini, Vasi della Coll. Castellani 212 Nr. 446.
34 Beazley, JHS. 52, 1932, 178; 180; 183; 185; 200. S. oben Anm. 11.
35 J. D. Beazley, ABS. 21 und 31. — BSR. 11, 3/4. — JHS. 51, 256—275. — JHS. 52, 202. — BSA. 32, 18/19. — Semni
Karusos, AM. 56, 1931, 98ff. — W. Kraiker, AM. 59, 1934, 19ff. — Die Gefäße mit der Inschrift „Amasis epoiesen“ gehören
alle derselben Hand. Man kann deswegen eine Personengleichheit von Maler und Töpfer annehmen. Zum Namen Amasis:
Ch. Dugas, Melanges G. Glotz I, 335ff.

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