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Technische Winke: Beiblatt zum "Kunst-Herold": Technische Winke — Nr. 1-4.1908

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No. 1
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Technische Winke
Beiblatt zum ,,Kunst-Herold“

No. 1

BERLIN-MÜNCHEN, den 22. Februar

1908

Worin bestand das Geheimnis der alten Nieder-
länder wie der alten Italiener bezüglich der
Bindemittel für die Oelmalerei?

Mancher Maler hat sich diese Frage wohl schon vor-
gelegt, ohne zufriedenstellenden Aufschluss gefunden zu haben.
Das vor kurzem ins Deutsche übersetzte Werk von Charles
L. Eastlake — „Materials of a history of Oilpainting“, (Bei-
träge zur Geschichte der Oelmalerei, übersetzt von Dr. Jul.
Hesse, Verlag von A. Hartleben. Wien und Leipzig. 1907) —
gibt erschöpfende Antwort hierauf, und enthält eine Menge
wertvoller Angaben über die Techniken der alten Meister.
Es wird uns von Eastlake der ganze Werdegang der
Oelmalerei vorgeführt, insbesondere sehen wir aus seinem
Werke, dass man in den besten Zeiten der Kunst hauptsächlich
mit einem Harzölbindemittel malte, einem Bindenüttel, das wohl
im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit geraten konnte,
das aber heute wieder zu Ehren kommt.
Andererseits können wir aus dem Inhalt des Werkes sehen,
dass denn Künstler des 20. Jahrhunderts eine viel grössere
Auswahl von zuverlässigen Farbstoffen zu Gebote steht als
seinen Kollegen früherer Zeiten. Es sei nur an die beständigen
Farben, wie Chromoxydgrün, Kadmiumgelb, Zinkweiss und
viele andere erinnert, welche die alten Meister nicht kannten.
Dagegen haben wir viele Pigmente als unzuverlässig von der
Palette gestrichen, auf welche die Alten angewiesen waren, so
z. B. Auriapigment, Pflanzenlacke wie Schüttgelb und ähnliche
Farben.

Wir wollen versuchen, teils durch kurze Auszüge, teils
in freier Wiedergabe, über das Wissenswerte aus dieser inter-
essanten Abhandlung zu berichten.

der be-
Bericht

Vasari in dessen
-1 van Eyck.

Im VII. Kapitel gibt Eastlake eine Schilderung des Ueber-
ganges von der Temperamalerei zur Oeltechnik nach
kannten Erzählung des Florentiners V„.,al
über die Einführung der Oelmalerei durch
Danach soll Johann van Eyck aus Brügge aus klima-
tischen und wohl auch aus anderen Gründen Ursache gehabt
haben, statt der bisher angewandten Temperamalerei nach
einer neuen Technik zu suchen (S. 112), welche grössere
Widerstandsfähigkeit gegen die Einflüsse der nordischen
Atmosphäre hatte und auch sonstige Vorteile bieten konnte.
Es heisst dann weiter:
„Nachdem er (van Eyck) mit verschiedenen Sub-
stanzen, im reinen Zustand und zusammen gemischt,
Versuche gemacht hatte, fand er zum Schlüsse, dass
Leinöl und Nussöl unter den vielen Gelen, welche er
in den Kreis seiner Untersuchungen zog, besser
trocknen als alle übrigen. Aus diesen bereitete er
sich daher zusammen mit anderen Mischungen einen
Firnis, welchen er und alle Maler der Welt so lange
gesucht hatten usw.“

Er war leider der einzige, der über jenen wichtigen
Umschwung in der Maltechnik etwas Positives geschrieben hat.
Jedoch hielten die bedeutendsten Kunsthistoriker diese Stelle
für hinreichend, um sagen zu können, dass in jener Zeit die
Oelmalerei im heutigen Sinne entdeckt worden ist oder, rich-
tiger gesprochen, dass in jener Zeit das bei, das früher nur
profaner Anstreicherarbeit gedient hatte (S. 19 etc.) den

Zwecken des Künstlers dienstbar gemacht wurde. Wohl
konnte man bis dahin mit Leinöl malen, auch Nussöl oder
Hanföl waren nicht unbekannte Dinge. Aber erst nach Ver-
mischung mit anderen Substanzen — „con altre cose“ sagt
Vasari — fand das Oel, speziell das mit Harzen gemischte Oel,
seinen Weg in das Atelier des eigentlichen Künstlers und ver-
drängte die Temperatechnik mit ihrer gequälten Strichelarbeit
im Fluge.
Aus der angeführten Stelle Vasaris geht eines mit Sicher-
heit hervor, nämlich, dass Johann van Eyck einen Firnis
(„vetuice“) aus Nussöl oder Leinöl mit anderen Substanzen zu-
sammen anfertigte, der zunächst zum Firnissen seiner Tem-
perabilder diente.
Aber er ging noch einen Schritt weiter. Er färbte diesen
Firnis, d. h. er mischte ihn mit den feingeriebenen Farben
selbst, und siehe da, der Effekt war überraschend. Die Farben
erlangten eine Leuchtkraft, wie sie dieselbe nie zuvor besessen
hatten, die optische Wirkung der Pigmente, die in dem trans-
parenten Bindemittel eingebettet lagen, erschien wunderbar im
Vergleiche mit der alten Tempera. Ätich die Konsistenz wat-
angenehm, die Farben liessen sich behandeln und mischen, man
konnte damit sogar nass in nass malen, die Farbtöne unter
sich schön verbinden und verschmelzen.
Ein grosser Vorzug des neuen Verfahrens bestand darin,
dass die Farbe nach dem Trocknen gegen Feuchtigkeit un-
empfindlich wurde.
Also ein Firnis (in Vasaris Sprache „vernice“) war es, den
van Eyck und seine Nachfolger, wie z. B. Antonello di Messina
etc. als Bindemittel verwendeten, Wenn wir nun fragen, was
man damals unter der Bezeichnung „Firnis“ verstand, so finden
wir auch hierauf bei Eastlake die Antwort.
Zum Schutz gegen die Einflüsse der Atmosphäre wie des
Wassers dienten zu allen Zeiten die Harze. Schon die alten
Griechen bemalten ihre Schiffe mit Harz, damit das salzhaltige
Seewasser, der Wind und die Sonne das Holz nicht angreifen
konnten. Die berühmten Maler Protogenes und Heraklides
begannen nach Plinius ihre Laufbahn als Schiffsmaler (S. 91).
Für sich allein in dünnen Lagen der Luft ausgesetzt, werden
die Harze mit der Zeit spröde und verwittern vollständig. Als
Beispiel diene die allen Malern geläufige Tatsache, dass auf-
getrockneter Mastixfirnis, der eine Lösung von Mastixharz
in einem flüchtigen Lösungsmittel darstellt, nach dem Ver-
dunsten des letzteren sich nach einiger Zeit schon durch blosses
Reiben mit dem Finger beseitigen lässt.
Dieser allzu frühen Verwitterung begegnete man, indem
man die Harze in Leinöl oder Nussöl löste.
Zahlreiche Belege aus alter Zeit stehen uns hierfür zu Ge-
bote. Greifen wir aus Eastlake nur einige heraus:
Cardanus, der 1554 zu Basel ein Werk herausgab,
sagt: „Der Saft, der aus dem Wachholderbaum fliesst,
heisst Firnis. Aus trochenem Firnis undi Leinöl wird
flüssiger Firnis gemacht. Dieser soll allen Einwirkungen
der Atmosphäre widerstehen und wird daher für Bilder
verwandt.“
Mathioli, der 1549 zu Mantua schrieb, sagt: „Mit Harz
(Sandarack) wird der flüssige Firnis gemacht, welcher
dazu verwandt wird, Bildern Glanz zu geben und Eisen
zu firnissen.“
 
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