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Technische Winke: Beiblatt zum "Kunst-Herold": Technische Winke — Nr. 1-4.1908

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No. 3
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Technische Winke
Beiblatt zum „Kunst-Herold“
No. 3 | BERLIN-MÜNCHEN, den 4. April || 1908

Malgründe*)
Als grundlegendes Prinzip aller malerischen Technik mass
angesehen werden, dass das „Untere“ stets schneller trocknen
soll, als das Darübergelegte So muss auch die Grundierung
die am schnellsten trocknende Schicht bilden. Hierbei sei
gleich erwähnt, dass z. B. bei Anwendung von Trockenmitteln
eine Farbe bei der Uebermalung stets weniger Trockenmittel
enthalten soll als die Untermalung.
Ein wesentlicher Unterschied ist zwischen der Grun-
dierung einer Holztafel und der einer Leinewand. Bei allen
Beschreibungen von Malgründen, die mir zu Gesicht gekommen
sind, ist dieser Unterschied zu wenig oder gar nicht betont
worden und bildet doch einen Hauptfaktor bei der Wahl einer
Grundierungsmasse.
Besonders in neuerer Zeit ist viel über die Farben und
Bindemittel geschrieben worden. Man hat in ihren Zusammen-
setzungen die gute Erhaltung oder das Zugrundegehen der
Gemälde nachweisen wollen. Sehr wenig ist des Malgrundes
hierbei gedacht worden. Und doch ist der Malgrund die Haupt-
ursache für die Erhaltung und den Ruin der Bilder. Die
Farben und Bindemittel mögen sich mit der Zeit etwas ver-
ändern, die Sprünge jedoch, das Abblättern ganzer Stellen vom
Grunde, kreisförmige oder längliche Risse, sind besonders bei
Leinewand-Malereien fast immer Folge von Grundverände-
rungen, sei es nun, dass Feuchtigkeit vom Gewebe aufge-
nommen wurde, hierdurch Zusammenziehen erfolgte und wieder
beim Trocknen Ausdehnung eintrat, hei welcher es dem auf
der Leinewand befindlichen Malgrunde nicht möglich wurde
zu folgen, sei, es, dass bei unrichtiger Zusammensetzung des
Grundes, besonders wenn sich in demselben zu viel Leim be-
findet der Grund dicker aufgetragen wurde und so bei immer
stärkerem Zusammentrocknen des Ausdehnungskoeffizienten
sich ergeben mussten, denen die Leinewand nicht folgen konnte.
Jedenfalls ist die Bewegung der Leinewand und des Grundes
die Hauptursache von Rissen und Sprüngen der Gemälde auf
Leinewand'. Aehnliches ist bei Bildern auf Holztafeln der
Fall. Dass sich im grossen und ganzen die Gemälde auf Holz-
tafeln besonders in der Farbe besser erhalten haben als die
auf Leinewand, ist dem Umstande zuzuschreiben. dass stärkerer
Auftrag des Grundes und die Holztafel selbst einen grösseren
Schutz gegen das Eindringen von Atmosphärilien bilden, als
der notwendig schwächere Grund auf schwacher Leinewand.
Das Eindringen gewisser Luftarten, besonders des Sauerstoffes
in Verbindung mit Feuchtigkeit in Leinewand, Grund und
Farben üben den grössten Einfluss auf Malereien aus. Je mehr
diese Einwirkung ausgeschlossen werden kann, je besser
werden sich Gemälde erhalten.
Ich habe ein Bild aus der Zeit Salvator Rosas gesehen, das
eine höchst auffallende Erscheinung zeigte. Die Leinewand
war auf einem Blendrahmen, mit Holzkreuz in der Mitte, auf-
gespannt. Aber nicht nur aufgespannt, sondern jedenfalls in
einer späteren Zeit von ungeschickter Hand auf Blendrahmen
und Mittelkreuz aufgeleimt worden. So unsinnig diese Be-
*) Wir entnehmen diesen Aufsatz als Inhaltsprobe dem
im Verlage von Ernst Reinhardt, Verlags-
buchhandlung in M ü n c h e n erschienenen Werke
Maltechnische Winke und Erfahrungen von C. Gussow, das
wir jedem Künstler zur Anschaffung empfehlen. (Preis 1,60.)

handlung des Bildes an und für sich auch war, so wurde sie
zum lehrreichen und beweisenden Experiment. Das Bild war
durch das Mittelkreuz in vier Teile geteilt. Alle vier Felder
waren tot und von missfarbenem Grau. Da hingegen, wo die
Leinewand auf das Kreuz und den Blendrahmen aufgeleimt
war, hatte die Farbe ihre Originalfrische erhalten. Ein Beweis,
dass Atmosphärilien und Feuchtigkeit zerstörenden Einfluss an
den Stellen der Malerei ausüben können, an denen ihnen der
leichtere Zutritt gestattet ist. So ist es auch erklärlich, dass
eine Holztafel den für Malerei besten Schutz liefert.
Wird ein Malbrett mit einem sogen. Rost auf der Rück-
seite versehen, so ist bei gutem Trockenzustande des Holzes
so ziemlich genügende Garantie geboten, dass ein Springen
oder Verzieher; der Holzplatte ausgeschlossen ist. Von den
alten Meistern wurde diese Vorsicht nicht angewendet. Da-
hingegen suchten sie oft durch andere Mittel ihren Holztafeln
grössere Stabilität und Schutz gegen Reissen zu verleihen.
Sie nahmen ungleiche, etwa zwei Finger lange und zwei
Finger breite Streifen Leinewand, tauchten sie in Leimwasser
und beklebten die ganze Tafel kreuz und quer, übereinander
mit denselben. Erst dann wurde Gips- oder Kreidegrund auf-
getragen und mit dem Schaber geglättet. Diese Art der Be-
festigung hat gute Erfolge gezeitigt, doch dürfte dem Rost der
Vorzug gebühren.
Wenn trotz des besseren Materials der Holzplatten dennoch
Leinewand schon bei den alten Meistern zur Verwendung kam,
so hat das in Vielfachem seinen Grund. Die Schwierigkeit,
besonders grössere Holzplatten zu Malzwecken herzustellen,
mag so gross gewesen sein, dass nur in besonderen Fällen von
dieser Art Gebrauch gemacht wurde (Assunta von Titian), wo-
hingegen durch Zusammenseitzen von Leinewandbahnen die
grössten Malflächen geschaffen werden konnten. So bürgerte
sich die Verwendung von Leinewandgründen bald allgemein
ein und ist bis auf den heutigen Tag das hauptsächlichste
Material für Malereien geblieben.
Gegen die Verwendung von Leinewand wäre auch nicht
viel zu sagen, wenn es möglich wäre, die Durchlässigkeit des
Materials zu beseitigen und so den Zerseitzungsprozess hintan
zu halten. Bei alten Bildern, wo durch die Länge der Zeit die
Leinewand mürbe und schlaff wurde, hat man durch Rentoilieren
(das ist auf neue Leinewand ziehen) dem Gemälde wieder
Festigkeit gegeben und gleichzeitig durch den verwendeten
Klebestoff eine Undurc'hlässigkeit geschaffen, die dlas Gemälde
gegen die verschiedensten Einflüsse auf lange Zeit schützt.
Nichts wäre demnach vernünftiger, als jede Leinewand, welche
zu Malzwecken dienen soll, von vornherein zu rentoilieren.
Von anderer Seite wird zu Schutzzwecken gegen atmo-
sphärische Einflüsse das Bekleben der Rückseite der Leinewand
mit Staniol mittelst Alkohol-Schellacklösumg empfohlen. Wenn
auch von dieser Seite gesagt wird, dass ein solcher Ueberzug
gelegentlich sich leicht wieder entfernen lasse, so muss betont
werden, dass ein solches Entfernen wohl nicht so einfach ist.
Jedenfalls ist die in die Leinewand eingedrungene: Schellack-
lösung überhaupt nicht wieder zu entfernen. Die ausser-
ordentliche Festigkeit und Sprödigkeit, zu welcher der Schellack
zusammentrocknet, müsste dem Gewebe eine Starrheit geben,
die dem Gemälde nur zum Schaden gereichen könnte. Wollte
man aber versuchen, den Schellack wieder aus dem Gewebe
 
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