Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dürer, Albrecht; Thausing, Moritz [Transl.]
Dürers Briefe, Tagebücher und Reime — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 3: Wien, 1872

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.28721#0207
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

i83

Freiheit auch allzugrossen Uebermuth erzeugt, so dass, wenn-
gleich aller Orten die Wahrheit gepredigt wird, indessen doch
nichts weniger geschieht, als das was sie verlangt; nicht anders,
als ob das Reich Gottes mehr in blossen Worten, als in der
Bethatigung durch Werke bestünde. 5
Da wir aber alle so zartfühlend sind, dass niemand gerne
seine Fehler tadeln hört, so halte ich nichts für nützlicher, als
recht Reissig solche Bücher zu lesen, in denen jeder Einzelne
seine Gemüthsart wie in einem Spiegel beschauen und beim Be-
schauen auch bessern kann. Und unter denselben erachte ich io
gerade dieses hier für das vorzüglichste — so gar fein und
artig, obwohl genetzt mit scharfer Lauge, umspült es das Flerz
des Lesers.
Ich habe das Büchlein einst in griechischer Sprache von
dem hochgelehrten Fürsten Johann Franz Picus, Grafen von i5
Mirandola und Herrn von Concordia, meinem besten
Freunde zum Geschenke erhalten. Nun aber weihe ich es
griechisch zugleich und lateinisch Dir, gleichfalls meinem besten
Freunde, damit doch lernbegierige Leute etwas hatten, an dem
sic sich in beiden Sprachen ergötzen können. Denn obwohl 20
dasselbe an gar vielen Stellen durch die Fahrlässigkeit des
Schreibers oder auch wohl absichtlich nicht wenig verderbt
war, habe ich es doch, so weit es angieng, wieder hergestellt,
bis etwa einmal ein fehlerfreieres Exemplar zum Vorschein kömmt.
Manches freilich hätte ich in einer zierlicheren Sprache 2 5
übersetzen können, ich wollte jedoch nicht allzuweit von der
griechischen Redewendung abweichen, auf die Gefahr hin, dass
es eben deshalb etwas unverständlicher erscheinen könnte. So-
bald aber das Griechische mit dem Lateinischen zusammenge-
halten wird, ergibt sich alles viel deutlicher. Gleichwohl habe 3o
ich bei der Uebertragung einiger Sätze nicht einmal mir selbst
genügen können, was freilich nicht so wohl in meinem Ver-
schulden, als in der Armuth der lateinischen Sprache seine Be-
 
Annotationen