72
IV. Michel Wolgemut.
fchlanken, allzu luftigen Gebilden ihrer Phantafie wurden die con-
ftructiven Gefetze zum Opfer gebracht, das Mafswerk gieng bunt durch-
einander, bald überlaftct durch die eingefügten Figuren, bald durch
das Eindringen vegetabilifcher und willkürlicher Motive verfchnörkelt.
Das Kühnfte in diefer Art hat Adam Kraft in feinen verfchiedenen
Sakramentshäuschen oderWeihbrodgehäufen zu Nürnberg, Schwabach,
Heilsbronn geleiftet; dem Material ift dabei fo fehr Gewalt angethan,
dafs fich allerdings daran leicht die Sage knüpfen konnte, er habe
das Geheimnifs befeffen, Steine zu erweichen und nach ihrer Modelung
wieder zu verhärten.
Manchen feiner hier angewendeten Freiheiten, wie den gebogenen
Fialen begegnen wir bereits in den gothifchen Stuhlwerken, die
Wolgemut gelegentlich in feinem »Schatzbehalter« anbringt. Viel
deutlicher aber noch erfcheint diefe Art der Verwandtfehaft mit Adam
Kraft in jenen' feiner Kupferftiche, welche zu Vorlagen für Gold-
fchmiede beftimmt find. Bartfeh und Paffavant befchreiben unter dem
Namen Wenzels von Olmütz fieben folcher Entwürfe für Bekrönungen
von Monftranzen, und das Berliner Cabinet befitzt überdiefs das Ab-
bild eines vollftändigen Oftenforiums mit W bezeichnet. Die hoch-'
geftreckten, durchfichtigen Glieder diefer gothifchen Architektur ent-
fprechen nur der Ausführung in Metall. Dafs Adam Kraft fich die-
felben bei feinen thurmhohen Sakramentshäuschen zum Mufter nahm,
darf als eine Verirrung feines Gefchmackes angefehen werden; er
opferte die Zierlichkeit des kleinen Mafsftabes, ohne die Erhabenheit
des grofsen dafür einzutaufchen. Von folchem Mifsgriff hat fich
Wolgemut ferne gehalten; wir finden die luftige Gliederung feiner
Goldfchmiedvorlagen in feinen gröfser ausgeführten Altarwerken nicht
wieder, doch bieten die Einzelheiten an beiden deutlichex Verglei-
chungspunkte. Die in das Ornament jener Kupferftiche eingefügten
Figürchen zeigen diefelbe völlige Körperlichkeit, edle Haltung und
gefällige Gewandung, wie die von Blattgewinden umfchlungenen Ge-
walten auf der Rückfeite des Schwabacher Altares, fie werden von
Confolen getragen, gleich denen unter den grofsen Pleiligen des Perings-
dörffer'fchen Altares. Die Vorlage zu einem Pokale, deffen birnen-
ähnlicher Bauch durch fifchblafenartige Buckel gebildet wird, zeigt im
Einzelnen diefelbe Behandlung, wie fie Dürer noch am Ende feiner
Thätigkeit auf Mufter für Goldfchmiede anwandte '); fo der Doppel-
■ pokal von 1526, colorierte Federzeichnung in der Albertina und andere
Gefäfse im Dresdener Dürercodex, foweit fie Dürer angehören. Getrauen
__________ \
1) Paffavant Nro. 79 im Dresdener Cabinet.
IV. Michel Wolgemut.
fchlanken, allzu luftigen Gebilden ihrer Phantafie wurden die con-
ftructiven Gefetze zum Opfer gebracht, das Mafswerk gieng bunt durch-
einander, bald überlaftct durch die eingefügten Figuren, bald durch
das Eindringen vegetabilifcher und willkürlicher Motive verfchnörkelt.
Das Kühnfte in diefer Art hat Adam Kraft in feinen verfchiedenen
Sakramentshäuschen oderWeihbrodgehäufen zu Nürnberg, Schwabach,
Heilsbronn geleiftet; dem Material ift dabei fo fehr Gewalt angethan,
dafs fich allerdings daran leicht die Sage knüpfen konnte, er habe
das Geheimnifs befeffen, Steine zu erweichen und nach ihrer Modelung
wieder zu verhärten.
Manchen feiner hier angewendeten Freiheiten, wie den gebogenen
Fialen begegnen wir bereits in den gothifchen Stuhlwerken, die
Wolgemut gelegentlich in feinem »Schatzbehalter« anbringt. Viel
deutlicher aber noch erfcheint diefe Art der Verwandtfehaft mit Adam
Kraft in jenen' feiner Kupferftiche, welche zu Vorlagen für Gold-
fchmiede beftimmt find. Bartfeh und Paffavant befchreiben unter dem
Namen Wenzels von Olmütz fieben folcher Entwürfe für Bekrönungen
von Monftranzen, und das Berliner Cabinet befitzt überdiefs das Ab-
bild eines vollftändigen Oftenforiums mit W bezeichnet. Die hoch-'
geftreckten, durchfichtigen Glieder diefer gothifchen Architektur ent-
fprechen nur der Ausführung in Metall. Dafs Adam Kraft fich die-
felben bei feinen thurmhohen Sakramentshäuschen zum Mufter nahm,
darf als eine Verirrung feines Gefchmackes angefehen werden; er
opferte die Zierlichkeit des kleinen Mafsftabes, ohne die Erhabenheit
des grofsen dafür einzutaufchen. Von folchem Mifsgriff hat fich
Wolgemut ferne gehalten; wir finden die luftige Gliederung feiner
Goldfchmiedvorlagen in feinen gröfser ausgeführten Altarwerken nicht
wieder, doch bieten die Einzelheiten an beiden deutlichex Verglei-
chungspunkte. Die in das Ornament jener Kupferftiche eingefügten
Figürchen zeigen diefelbe völlige Körperlichkeit, edle Haltung und
gefällige Gewandung, wie die von Blattgewinden umfchlungenen Ge-
walten auf der Rückfeite des Schwabacher Altares, fie werden von
Confolen getragen, gleich denen unter den grofsen Pleiligen des Perings-
dörffer'fchen Altares. Die Vorlage zu einem Pokale, deffen birnen-
ähnlicher Bauch durch fifchblafenartige Buckel gebildet wird, zeigt im
Einzelnen diefelbe Behandlung, wie fie Dürer noch am Ende feiner
Thätigkeit auf Mufter für Goldfchmiede anwandte '); fo der Doppel-
■ pokal von 1526, colorierte Federzeichnung in der Albertina und andere
Gefäfse im Dresdener Dürercodex, foweit fie Dürer angehören. Getrauen
__________ \
1) Paffavant Nro. 79 im Dresdener Cabinet.