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VIII.

Der Wettstreit mit Wolgemut und die frühen Kupferstiche.

»Item aws welchen ein grofser, kunftreicher
moler foll werden, der mufs van guter
werklewt kunft erftlich vill abmachen, pis
er ein freie haut erlangt.o

Dürer.

urckhardt hebt einmal die Thatfache
hervor, dafs im Zeitalter der Renaiffance
mehrere der gröfsten italienifchen Meifter
ihr Beftes in fpäten Jahren leifteten. Lio-
nardo war mehr als 50 Jahre, als er das
Abendmahl fchuf, Giovanni Bellinis herr-
| lichfte Werke flammen aus feinen achtziger
JJahren, Tizian und Michelangelo haben als
' Greife noch das Staunenswürdigfte hervor-
gebracht. Es ift als hätte die grofse Zeit Eile gehabt und in ihrer
Haft alles, vom Knaben bis zum Greife, mit der Fülle ihrer Kraft
überfchüttet. Bezeichnend für fie ift daher der grofse, gemeiniglich
dem Agoftino Veneziano, von Vafari zwar dem Marcello Fogolino
zugefchriebene Kupferftich, der einen Greis im Gehftuhle darftellt
mit der Ueberfchrift: »Anchora imparo« — noch immer lerne ich!

Auch die deutfche Kunft jener Tage hatte folche bis an ihr
fpätes Lebensende noch lernende Meifter — und zwar und es gerade
die Lehrmeifter unferer beiden gröfsten Maler, die fich dadurch aus-
zeichnen. Läfst fich doch die Berechtigung der hergebrachten, erft
neuefter Zeit angegriffenen Ueberlieferung nicht länger bezweifeln,
nach welcher nicht Hans Holbein der Jüngere, fondern fein alter Vater
und Lehrer der Schöpfer des Sebaftiansaltares in München und aller
um denfelben gruppierten Gemälde fei.- Nachdem man fchon ein
Wunder glauben und auf hiftorifchem Wege beglaubigen mufste, ent-
fchied die Wiffenfchaft nicht für den frühreifen Knaben, fondern für
den blühenden Greis, in deffen heiterem Sinne fich die Formen des
 
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