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Augsburg und Nürnberg. T40

alten Stiles noch zu ungemeiner Lieblichkeit rundeten, deffen Hand
fchon über einen reichen Schatz künftlerifcher Erfahrung verfügte,
als fich feine Phantafie noch aufmachte zum Ritt in das neuentdeckte
Wunderland der Renaiffance. Und wie dem Vater Holbein neue, un-
geahnte Kräfte erwachfen in einem Alter, da fie anderen Sterblichen
zu verflegen pflegen, fo fchreitet auch Michel Wolgemut in unge-
brochener Blüthe in das fechzehnte Jahrhundert hinüber; auch auf
feinen Gerft follten die Ideen und Formen der Antike noch befruch-
tend wirken.

Allerdings mufste der Erfolg bei dem Nürnberger Altmeifter ein
ganz anderer fein, als bei Hans Holbein, dem Aelteren, in Augsburg.
Die alte Augufta, die Königin des Lechfeldes, war unter allen deutfchen
Reichsftadten zumeift den Einflüffen des Südens ausgefetzt. Sie ftand
im lebhafteften Verkehr mit Mailand und dem italienifchen Weiten,
deffen neue Stilformen fomit nirgends auf deutfchem Boden leichter
zu Geltung und Herrfchaft gelangen konnten, als hier. Dem gegen-
über war der Handel und Wandel Nürnbergs zunächt auf Venedig
angewiefen. Diefes aber bildete damals noch in mehr als einer Be-
ziehung einen Gegenfatz zu dem übrigen Italien, oder behauptete doch
eine Ausnahmestellung innerhalb desfelben. Wir lernten bereits, ge-
legentlich der Wanderfchaft Dürers, das venetianifche Kunftleben ge-
wiffermafsen als ein Mittelglied zwifchen Süden und Norden kennen;
wir fahen wie die Renaiffance von der Terra firma erft verhältnifsmäfsig
fpat in die Lagunenftadt vordringt und dort längere Zeit unvermittelt
neben der empfindfamen gothifch-naturaliftifchen Richtung hergeht.
Folgerichtig mufste daher der Einflufs, der von Venedig auf Nürnberg
uoergieng, ein zwiefpältiger und wefentlich anderer fein, als jener der
lombardifchen Kunft auf Augsburg. Dazu kömmt noch, dafs fleh
der letztere auf dem gewöhnlichen Wege der unmittelbaren Anfchauung,
des Nachfühlens von Künftler zu Künftler fortpflanzte, während der
Uebergang von Venedig nach Nürnberg einen theoretiflerenden Bei-
gefchmack hat, auf Nachdenken und wohl gar auf einer ganz be-
wufsten gelehrten Vermittelung beruht. Ohne erörtern zu wollen,
inwiefern ein folches Dazwifchentreten der claffifchen Gelehrfamkeit
der deutfchen Kunft von Nutzen oder vom Uebel gewefen fei mufs
doch einleuchten, dafs ein fo verfchränkter Zufammenhang von Ur-
fachen und Wirkungen fchwer zu verfolgen, fchwerer noch auf feine
Ausgangspunkte zurückzuleiten ift. Und doch find wir -enöthigt,
es zu verflachen, wenn wir nicht vor räthfelhaften Thatfachen flehen
bleiben wollen.

Suchen wir nach einer Perfönlichkeit, welche geeignet war, diefe
 
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