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V. Wanderschaft und Lähdfchaftsmalerei.

des verftorbenen Freiherrn von Dräxler in Wien. Nachdem er fich
der einmal errungenen Herrfchaft auf dem Gebiete der Landfchafts-
malerei bewufst ift, dünkt es ihm eben leicht, jede noch fo kahle
Skizze in ihr farbiges Gewand zu kleiden. Zu Urkund deffen hat er
feine Erfahrungen felbft in einem Büchlein über das Landfchaftsmalen
niedergelegt. Leider blieb uns daffelbe nicht erhalten, und wir wiffen
von feiner Exiftenz blofs aus Pirkheimers Nachfchrift zur „Propor-
tionslehre".

Dürer war fich wohl bewufst geworden, dafs er den Charakter
der Landfchaft nur durch Erforfchung der Einzelformen ergründen,
dafs er deren Stimmungen nur mittels der Farbe nachempfinden könne.
In diefem Sinne gab er fich mit ganzem Herzen dem Studium der
Natur hin. Mit Vorliebe verwendete er, namentlich in feinen früheren
Werken, landfchaftliche Hintergründe, wo der Gegenftand und der
Gefchmack der Zeit es nur immer geftattete. Hatte die Darftellung
der blofsen Landfchaft auch noch keinen Markt, für Dürer hatte die-
felbe bereits eine ganz felbftändige Berechtigung. Wie mächtig mufste
der Drang dazu in ihm fein, wenn er fich ohne Ausficht auf Entgelt
ihrem Studium fo eifrig hingab zu einer Zeit, da er noch gar fehr
auf Erwerb angewiefen war. Die hohe Schule feiner Ausbildung zum
Landfehafter war aber feine Wanderfchaft, auf welcher er nothwendig
in fteter Berührung mit der freien Natur blieb. Es muthet uns eigen-
thümlich an, wenn wir uns denken, wie der deutfehe Jüngling fröhlich
über Berg und Thal dahinzog, Herz und Auge offen für jeden neuen
Eindruck; und ift der Fufs ermüdet oder hat ihn der letzte Anblick
hingeriffen, dann giebt's eine Raft, und aus jeder Raft wird ein Bild.
Unzählige Menfchen find vor Dürer fchon desfelben Weges gezogen,
keiner aber vor ihm hatte das Auge, diefe Formen und Farben zu
fehen, keiner die Hand, fie auf einem Blättchen feftzuhalten. Wenn
dies den fpäter Nachfolgenden leichter gelang, fo hat Dürer ein wefent-
liches Verdienft daran; er ift der Begründer der felbftändigen, modernen
Landfchaftsmalerei.

Nach folchen Vorftudien, von denen gewifs nur der kleinere Theil
bis auf uns gekommen ift, werden wir den Reichthum von landfchaft-
lichen Motiven begreifen, den Dürer über feine hiftorifchen Compo-
fitionen nur fo ausgeftreut hat. Sie verleihen feinen Gemälden, wie
feinen Holzfchnitten und Kupferftichen keinen geringen Reiz; fie bilden
auch jenen Theil derfelben, der überall und bei jeder Gefchmacks-
richtung ungetheilte Bewunderung fand, und nirgends mehr als bei
den gleichzeitigen italienifchen Meiftern, die fich vielfach und bis zu
Raphael hinauf in der Benutzung und Entlehnung von Dürers Land-
 
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