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13°

VII. Die Malerwertftatt; Gefellen und Fälfcher.

gen eines mantegnesken Einfluffes. Ihr Thun und Treiben und der
Ausblick, den das Fenfter zur Rechten auf ein deutfches Gehöfte mit
Bäumen und einem Leiterwagen gewährt, bilden bereits ein Vorfpiel
jener gemüth- und weihevollen Häuslichkeit der heiligen Familie,
durch deren Schilderung der Meifter des »Marienlebens« unfterblich
geworden ift.

Noch bedeutender erfcheinen die beiden, zu diefem Bilde ge-
hörigen Flügel. Der linke zeigt den heil. Einfiedler Antonius in einem
grofsen Buche lefend, eine lebensgrofse Halbfigur in blauem Ge-
wände. Der mächtige, ernft und gefammelt herabblickende Greifen-
kopf und die gewaltigen, knorrigen Hände find von fo grofsartiger
Naturwahrheit, dafs das forgfältig behandelte Beiwerk, der Engel mit
der Rofenkrone und die fanften kleinen Ungeheuer, dagegen kaum in
Betracht kommen. Die nackte Halbfigur eines Betenden mit fchmerz-
haftem Ausdrucke auf dem rechten Flügel foll St. Sebaftian fein1).
Die zeichnend behandelte Anatomie hat zwar etwas Hartes, Felfen-
artiges, ift aber getreu und ohne Vorbehalt von der Natur abge-
fchrieben. Die Haare fallen in einzelnen Striemen herab, wie bei
manchen venetianifchen Frauenfrifuren. Doch ift offenbar ein deut-
fches Modell benutzt; ja es ift dies vielleicht feit van Eyck der erfte
lebensgrofse Act, der diesfeits der Alpen nach der Natur gebildet
wurde. Auch das Beiwerk diefes befonders wohlerhaltenen Flügels:
ein Glas Waffer mit Wiefenblumen darin, ein Stück Brod und der
Durchfchnitt eines halben Apfels, find ungemein forgfältig ausgeführt.
Am deutlichften erkennt man den Meifter an den oben fchwebenden
Engeln, deren freilich wenig belebte Köpfe den fpäteren Kindertypus
Dürers bereits vollftändig ausgebildet zeigen; z. B. das Köpfchen
rechts über der Schulter Sebaftians und das lachende mit dem Ko-
rallenhalsband links.

Der Dresdener Altar flammt aus der Allerheiligenkirche in Witten-
berg, was unfere Zuverficht in deffen Authenticität nur erhöhen kann.
Denn Scheurl erwähnt bereits im Jahre 1506 drei Altartafeln Dürers,
als in jener Kirche, nahe bei der Kanzel aufgeftellt2). Da über die
beiden anderen Werke Dürers, die hier gemeint find, kein Zweifel
befteht, fo kommt vielleicht noch eine andere, weniger genaue Nach-
richt in Betracht, nach welcher fich dafelbft unter den Gemälden
Dürers eine »Maria mit mehreren Engeln« und »der heilige Jofeph«

1) Oder deutet das Fehlen jedes Pfeiles
und der angefchniltene Apfel auf Adam?

2) Chr.Scheurl, Libellus de laud.Germ.:
»Decorant etiam sacellum omnium Sancto-

rum Vitembergae (prope ambonem) tres
huius tabulae: cum Ulis tribus operibus,
quae Apelles se fecisse putabat, certantes.«
 
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