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Thausing, Moritz
Dürer: Geschichte seines Lebens und seiner Kunst — Leipzig, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.4925#0173
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Fränkifche Stecher. 153

und Landfchaften. Dagegen hat Mair von Landshut in feinen feft
umfchriebenen Geftalten, wie in feinen phantaftifchen, maffiven Bau-
werken einen entfchiedenen Zug zur plaftifchen Formengebung. Diefen
drei Merftern von fo ausgeprägter Eigenthümlichkeit fchliefsen wir
nun das noch bunte und unbegrenzte Kupferwerk Michael Wolge-
muts an.

•d's in den Beginn unferes Jahrhunderts galt Wolgemut allgemein
auch als Kupferftecher, und es wurden ihm alle jene Platten zuge-
fchneben, die unten in der Mitte mit dem Buchftaben W bezeichnet
ind. Da fand Adam Bartfeh auf einem Abdrucke des auch von
Schongauer geftochenen Schmerzensmannes zwifchen Maria und Johan-
nes ') in der Albertina die Auffchrift von einer Hand des XVI. Jahr-
hunderts: »Diefer Stecher hat Wenzel geheifsen, ift ein Goldfchmied
gewefen«. Diefe Nachricht zufammengehalten mit der Bezeichnung
auf dem Tode der Maria nach Schongauer (Bartfeh 22): 1481,
WENCESLAVS DE OLOMVCZ IBIDEM, veranlafste Bartfeh auch
fämmtliche mit einem W bezeichnete und früher Wolgemut zuge-
fchriebene Stiche für Werke diefes Wenzel zu erklären. Der fonft
nicht näher bekannte Olmützer Goldfchmied follte in feiner Jugend
Schongauer, in feinem Alter Dürer copiert haben, was doch fchwer-
lich von Wolgemut hätte behauptet werden können. Letzterer könnte
aber nach Bartfeh auch darum Dürern nicht die Vorbilder für eine
Reihe feiner Kupferftiche geliefert haben, weil die mit W bezeichneten
Blätter den entfprechenden Arbeiten Dürers um vieles nachftünden;
ein Grund, der trotz feiner Allgemeinheit leicht verfieng, angefichts
der fpäten und fchlechten Abdrücke, in denen die Stiche des Meifters
W zumeift vorkommen.

Nur das unbedingte Fefthalten der alten Regel, dafs die Copie
oder Wiederholung eines Kunftwerkes durch einen anderen Meifter
dem Original in jeder Beziehung nachftehen muffe, konnte Bartfeh der
Gefahr einer Täufchung ausfetzen, ähnlich derjenigen, die ihm in einer
analogen Frage bei der Beurtheilung Marcantonio Raimondis unter-
lief'2). So folgerichtig nämlich das Princip aus der Erfahrung der
Gegenwart und aus der Beobachtung früherer Jahrhunderte gezogen
fein mag, für die Zeiten einer auffteigenden Kunftbewesuno- und für
die Denkmäler einer eben in rafchem Aufblühen beo-riffenen Technik
wird feine Anwendung doch an manche Vorbehalte geknüpft fein.
Zunächft haben die Meifter des XV. Jahrhunderts gar nicht jenen

1) Peintre-Graveur, VI. 325. Nr. 17. I Ravenna, Archiv f. zeich. K. 1870.

2) Vergl. Thaufing: Marco Dente v,
 
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