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j ca VIII. Der Wetlflreit mit Wolgemut und die frühen Kupferftiche.

krankhaften Begriff von Originalität, dem gemäfs jedes neue Werk
fich in allen Beziehungen, in Stoff, Compofition und Ausführung soviel
wie möglich von dem bereits Vorhandenen unterfcheiden muffe. So
fehr fie auch bemüht find, den Kreis der Darftellungen zu erweitern,
eben fo unbefangen beharren fie anderfeits auch bei den einmal gefun-
denen, gewohnten und beliebten Gegenftänden. Wie in der claffifchen
Kunft kehren auch in der Renaiffance diefelben biblifchen, mytholo-
gifchen oder profanen Gefchichten, die gleichen typifchen Geftalten
immer wieder, und die Betonung liegt nicht in dem was, fondern in
der Art, wie gefchildert wird. Im dunklen Bewufstfein der unum-
fchränkten Vorherrfchaft der Form auf dem Gebiete der Kunft, haben
die grofsen Meifter aller Zeiten niemals Anftand genommen, von an-
deren zu entlehnen, was fich ihnen als wahlverwandt und nachahmens-
werth darbot. In diefem raftlofen Suchen und Finden, Aufnehmen
und Abgeben liegt das Geheimnifs eines gefunden Kunftlebens, welches
wir, im Vergleiche zu dem Stoffwechfel der organifchen Natur, den
fteten Formenwechfel der geiftigen Welt nennen könnten.

Unter folchen Umftänden ift es zuweilen gewagt, von zwei fich
nahezu entfprechenden Kunftwerken, blofs das eine als Original hoch-
fchätzen, das andere als Copie unbedingt verwerfen zu wollen. In
vielen Fällen, wo die Unterfcheidung keiner Schwierigkeit unterliegt,
wird auch ein folcher Abftand der Urtheile in dem Mafse gerecht-
fertigt fein, als der Nachahmer zeitlich, räumlich und geiftig dem Ur-
heber ferne fleht. Denn um eine gute Copie ift es doch ein eigen
Ding; und bei noch fo peinlicher Genauigkeit wird es der erften, beften
Hand fo wenig, wie der correcten Mafchine gelingen, das Werk des
Meifters bis zur Gleichwerthigkeit aufzuwiegen. Wo dies Ziel dennoch
erreicht wurde, da muffen eben fo eigenthümliche Vorbedingungen
gewaltet haben, wie die ift, dafs ein hochbegabter Schüler feinen
ganzen Ehrgeiz darein fetzt, die Werke feines Meifters zu übermeiftern.
Indem Dürer die Kupferftiche Wolgemuts nachbildete, kam ihm feine
innige Vertrautheit mit deffen Auffaffung und Darftellungsweife-unge-
mein zu ftatten. Wie kein anderer hatte er Einblick in das Schaffen^
feines Meifters, und zugleich befähigte ihn die Selbftändigkeit feines
Urtheils, das Gute vom Schwachen zu unterfcheiden und darnach feine
Richtfchnur zu nehmen. Während die betreffenden Stiche Wolge-
muts, fei es auf Grund einer noch auf Entdeckung ausgehenden, hin
und hertaftenden Methode, fei es wegen der verfchiedenartigen Be-
theiligung der Schüler, die mannigfachfte Art der Behandlung auf-
weifen, eine Abftufung von der kräftigen, paftofen Druckfähigkeit des
»grofsen Hercules« bis zu der feinften kalten Nadelarbeit der Türken-
 
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