Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Porträtftudien. 245

fpiegeln, dann folgen die Körper leicht den Motiven, die fie zu ein-
heitlicher dramatifcher Verbindung zufammenfchliefsen. In der Be-
wältigung des phyfiognomifchen Ausdruckes liegt der Schlüffel zu
jenem unerfchöpflichen Reichthume in der Compofition, der den lom-
bardifchen Maler Lomazzo zu dem Ausfpruche bewog »Dürer habe
allein mehr erfunden, als alle anderen Meifter zufammengenommen« ').

Von den mythologifchen und allegorifchen Darftellungen, in
denen fich Dürer eine Zeit lang gefallen hat, wendet er fich immer
entfchiedener ab. Die ganze Fülle feiner Production ergiefst fich in
den volksthümlichen biblifchen Gegenftänden. Wie alles, was aus der
vollen Tiefe einer Menfchenfeele erzeugt ift, hat auch die Urfprüng-
lichkeit Dürers in feinen Darftellungen vom Leben Jefu ihre gewaltige
Wirkung auf die Zeitgenoffen nicht verfehlt, auch nicht auf die ita-
lienifchen Meifter. Dürers Kupferftiche und Holzfchnitte fanden früh-
zeitig ihren Weg nach Italien und verbreiteten dort feinen Ruhm. Von
feinen älteften Stichen waren es insbesondere die landfehaftlichen
Hintergründe, welche die italienifchen Meifter fo anfprachen, dafs fie
diefelben zur Zierde der eigenen Compofitionen entlehnten -). Von
den Holzfchnitten dagegen begegnen ihrem Verftändniffe nicht fowohl
die ftrengeren älteren Blätter aus der Zeit der Apokalypfe, fondern
erft die der mittleren Zeit, deren freiere Formenbeherrfchung und
harmonifche Compofitionsweife Dürer bereits als auf der Höhe feiner
künftlerifchen Vollendung angelangt zeigen. Entfcheidend für unfer
Verftändnifs ift es nun, dafs der Beginn diefer reichften mittleren Stil-
periode Dürers viel früher fällt, als man gemeiniglich annimmt, näm-
lich vor feinen zweiten Aufenthalt in Venedig.

In diefer Hinficht bedarf unfere bisherige Anfchauung einer
wefentlichen Berichtigung und zwar zunächft bezüglich der »grofsen
Paffion«. Weil Dürer diefe Folge von zwölf grofsen Holzfchnitten

1) Trattato, Lib. V. Cap. 2.

2) 7,. B. die Landfchaft aus der Ma-
donna mit der Heufchrecke B. 44 auf dem
fogen. Campagnola B. XV. 53g S. Ottilie;
aus dem grofsen Hercules B. 73: der ganze
Hintergrund bei Robetta B. 24; die Burg
combiniert mit der auf dem Euftachius
B. 57. bei Agoftino Veneziano B. 4091
wahrend das Schiff dafelbft aus dem »Meer-
wunder« B. 71. (lammt; die Baumgruppe
mit der linken Hälfte der Landfchaft auf
dem fogenannlen Marcanton B. 484; vergl.
auch oben S. 169 Anmerk. Eine frühe Nach-
richt bei Wimpheling, nach welcher Ge-

mälde Dürers nach Italien exportiert worden
wären, beruht wohl nur auf einem Mifs-
verftändniffe; er fagt von Dürer: Nuren-
bergae imagines absolutissimas depingit,
qua? a mercatoribus in Italiam transportantur
et illic a probatissimis pictoribus 11011 mi-
nus probantur quam Parrhasi et Apellis ta-
bula;«. Grimm, Ueber Künfller II, 224.
Es gab eben kein lateinifches Wort für
Kupferftich und Holzfchnitl, als imago, pi-
ctura. Auch unter den in die Fremde aus-
geführten Bildern Schongauers find ficher
nur Kupferftiche zu verftehen.
 
Annotationen