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Die grofse und die grüne Paffion. 247

Charakterfiguren, befonders aber der martialifche Landsknecht zur
äufserften Rechten. Die_. Kreuztragung (B. 10) ift vielleicht die be-
deutendfte Compofition der ganzen Folge. Dürer hat das Motiv des
in. die Kniee finkenden Chriftus aus Schongauers grofsem Kupferfiiche
hier zuerft aufgenommen. Die knieende Geftalt, welche mit einem
Arme das Kreuz hält, mit dem anderen fich auf einen Stein ftützt und
das Haupt nach den heiligen Frauen zurückwendet, indefs ein Scherge
he am Seile weiterzerrt, ift feitdem für die Darftellung typifch ge-
worden. In Chriftus am Kreuze (B. 11) gehen die Formen der oberen
und der unteren Hälfte der Compofition fo auseinander, dafs es den
Anfchein hat, als wäre die letztere mit der edlen Gruppe um die
ohnmächtige Maria erft einige Jahre fpäter hinzugefügt oder doch
merklich verändert. Die beiden flatternden Engel, welche oben in
Kelchen das Blut auffangen, find wie aus der Apokalypfe zugeflogen.
Die himmlifchen Zeugen, Sonne und Mond, haben noch in altchrift-
licher Weife menfchliche Angeflehter. Die Beweinung des Leichnams
Chrifti (B. 13) hat in der Compofition, wie in den dürftigen, einge-
funkenen Formen der Leiche nahe Verwandtfchaft mit den beiden
Schulbildern desfelben Gegenftandes in München und Nürnberg. Die
Wirkung der Grablegung (B. 14) beruht mehr auf einer Reihe tief
empfundener Einzelnheiten, indefs die Gefammthaltung und der Schnitt
zu wünfehen übrig laffen.

Mit dem Jahre 1503 kömmt Dürer von der hergebrachten, allzu
drafUfchen Darftellung der Pafflonsfcenen einigermafsen zurück. Er
geht daher auch von dem gröfseren Formate ab, legt den Ton immer
mehr auf den Ausdruck weniger Hauptpcrfonen, und indem er fo die
Compofition zuweilen bis zum Epifodifchen vereinfacht, erhöht er
gleichwohl deren Wirkung zu Gunften einer milderen, zuweilen hoch-
poetifchen Auffaffung der Tragödie. Diefe weitere Fortbildung feines
Paffionsgedankens zeigt zunächft die »grüne Paffion« in der Albertina.
So nennen wir nämlich eine Folge von zwölf forgfältig in Helldunkel
auf grün grundiertem Papier mit Feder und Pinfel ausgeführten Zeich-
nungen ; fle fchildern das Leiden Jefu, eingeleitet durch eine Anbetung
der heil, drei Könige, und tragen fämmtlich, zuweilen an zwei Stellen
zugleich, die Jahreszahl 1504 '). Die grüne Paffion fleht bereits ganz
auf der Höhe aller fpäteren Kupfer- und HolzfchnittfoIgen. Wenn
fie diefelben an Ausdruck und Feinheit der Empfindung zuweilen noch
übertrifft, fo verdankt fie das der reicheren Clairobscurtechnik und

0 Die abweichenden Daten auf den j fcher, wie Kuglet, Waagen u. a., zu irri-
Lithographien von Pilizolti beruhen auf un- gen Annahmen verleiten,
genauer Lefung und konnten leicht Fpr- |
 
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