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Bildniffe. Briefe an Pirkheimer. 277

fie hält in den Händen einen offenen Sack, in dem grofse Goldstücke,
blinken; dazu das lange ftraffe blonde Haar und die welke Bruft,
indefs die linke Schulter von einer hochrothen Draperie bedeckt wird:
ein Inbegriff phantaftifcher Häfslichkeit, um fo fcheufslicher, als die
Anlagen des langen Gefichtes im Grunde edel und regelmäfsig find.
Das Merkwürdigfte daran ift aber die wohlerhaltene Malweife, die
breite, paftofe Körperlichkeit, mit der die zähe Oelfarbe unmittelbar
aufgetragen ift, dazu die Farbengluth, deren warme Tiefe freilich
durch die ftete Abfonderung vom Lichte noch verftärkt fein mag;
aber auch abgefehen davon ift die Verwandtfchaft mit der Palette
eines Vittore Carpaccio, eines Giorgione oder Tizian unverkennbar.
Das lackrothe Tuch für fich allein würde die Malerei als venetianifch
erfcheinen laffen, wenn nicht der äufsere Zufammenhang und etwa
die Haarbehandlung Dürers Autorfchaft verbürgte. Nicht blofs dem
Sinne nach, auch in der Maltechnik bildet diefe Avaritia eine kraffe
Parodie auf das Bildnifs der Vorderfeite mit feinem dünnen, fein vcr-
fchmolzenen, lafierenden Vortrage, offenbar noch auf einem Tempera-
grunde.

So hätten wir denn hier auch ein malerifches Zeugnifs von der
übermüthig fröhlichen Stimmung, in welche der längere Aufenthalt
in Venedig Dürer allgemach verfetzte und von welcher uns der
zweite Theil feiner Briefe an Wilibald Pirkheimer die köftlichften
Proben giebt. Diefe bereits öfters angezogenen Briefe Dürers an
Pirkheimer bilden eine Hauptquelle für diefen wichtigen Abfchnitt
feines Lebens, ja für Dürers Gefchichte überhaupt. Urfprünglich acht
an der Zahl fanden fie fich mit einigen Büchern und anderen Schriften
in einem lang vermauert gewefenen Räume des Imhofffchen Haufes,
als dasfelbe in der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Erbfchaft
an Chriftoph Joachim von Haller übergieng. Seitdem wurden fie wieder-
holt von Murr, Campe und Eye veröffentlicht und durch die Auf-
findung eines weiteren Briefes in der Bibliothek des britifchen Mufeums
auf neun vermehrt '). Sie zerfallen deutlich in zwei Gruppen. Die
erfte umfafst die fünf Briefe vom 6. Januar bis zum 2. April 1506.
Sie athmen noch etwas von den Sorgen, die daheim auf dem Meifter

1) Die Originale der in Nürnberg auf-
gefundenen Briefe befinden fich jetzt auf
der Stadtbibliothek dafelbft, mit Ausnahme
des zweiten, der in die Privatfammlung
des H. Lemperlz in Köln übergieng und
nach deffen Verficherung mit diefer dem
Vaterlande und der Wiffenfchaft erhalten

bleiben foll. Ein Facsimile davon in : H.
Lempertz, Bilderhefte zur Gefchichte des
Bücherhandels 1853—1865; Tafel 27. Die
Nachweife der übrigen Publicationen in
meiner Ausgabe: Dürers Briefe etc. Wien
1872, Einleitung X.
 
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