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Die Madonna von 1512. 309

Jahre 1511, darunter das Monogramm1). Unfer Titelkupfer giebt das
Figürchen in % der Originalgröfse wieder, geftochen von Victor Jafper
unter der kundigen Leitung von Profeffor Louis Jacoby.

Goldig, zart und duftig ift das Ganze behandelt. Ohne durch
Einzelnheiten zu feffeln und abzulenken, wirkt das Allerheiligenbild
durch die einheitliche Gemüthsftimmung, die ihm zu Grunde liegt,
durch das innige freudige Genügen in den Köpfchen der Heiligen,
durch den Reiz liebevoller Ausführung und durch eine helle und doch
lebhafte Farbenharmonie, die alles Stoffliche verklären will. Es liegt
eine idealifche Abfichtlichkeit in der Wahl diefes Colorits. In keinem
anderen Gemälde, weder Dürers noch eines anderen Meifters, ift feit-
dem eine folche Vergeiftigung der Farbe angeftrebt worden; es ift,
als hätte er nach den malerifchen Aequivalenten des Sphärenklanges
gefucht. Und heute noch leuchtet es uns unverändert in feiner ganzen,
duftigen Farbenpracht — ein wahres Juwel der Kunft! Wohl, zu
ernften Gedanken, zu geiftreichen Bemerkungen wollte folch' ein Bild
nicht anregen, und in den Prunkgemächern der Grofsen diefer Welt
wäre es fchlecht am Platze gewefen. Dem Volke aber, das (ich zum
Gottesdienfte verfammelt, dem lebensmüden Greife, dem Armen, der
zum Gebete feine Zuflucht nimmt, mufste es in's Herz lachen, wie
eine trottende Botfchaft. Auf leidende, bekümmerte, einfältige Ge-
müther konnte fein Anblick die erhebende Wirkung nicht verfehlen,
und in fofern ift es das Mufter eines chriftlichen Altarbildes.

Der Reihe diefer grofsen Gemälde aus der mittleren Zeit Dürers
fchliefst fich noch ein kleineres an, das aber in Conception und Aus-
führung noch ganz auf der gleichen Höhe fleht. Es ift die Madonna
mit der angefchnittenen Birne vom Jahre 1512 in der kaiferl. Galerie
zu Wien; ein Bruftbild, beinahe in Lebensgröfse, auf fchwarzem
Hintergrund. Maria in blauem Gewände und weifsem Schleier neigt
demüthig das Haupt nach dem Kinde auf ihrem Arme. Diefes, den
Anfchnitt einer Birne im Händchen haltend, hat eine wenig gefällige,
gewundene Haltung, bei welcher der Kinderbauch auffallend hervor-
tritt, auch nicht viel Ausdruck im Köpfchen. Dagegen zeigt der
herabblickende Madonnenkopf von mehr kurzem, breiten Typus eine
tiefe, feelenvolle Innigkeit. Die Malweife ift ungemein fiüffig und zart
verfchmolzen, das Fleifch im Lichte rofig, in den Schatten grau ab-
getont, die Haare fehr fein, zum Theile einzeln mit unbegreiflicher
Schärfe hingezogen. Unter allen einfachen Madonnenbildern Dürers

l)ALBERTVS . DVRER • NORICVS I PARTV • 1511. Such von Lucas Kilian
FACIEBAT- ANNO . A -V1RGINIS ■ I liehe oben S. 296. Anmerk.
 
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