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XIII. Der Künftler und der Menfch.

Allerheiligenbilde kennen. Es fehlt uns ja nicht an Nachrichten,
welche bezeugen, dafs Dürer ein kundiger Baumeifter gewefen fei.
Wir erfehen dies auch aus feinen gedruckten Büchern und aus feinen
nachgelaffenen Handfchriften '). In den letzteren finden fich Auszüge
aus Vitruvius: »Vom Mafs der Gebäude«, Abbildungen antiker Säu-
lencapitäle, eine Conftruction der Kuppel von St. Peter in Rom,- nach
den beigefchriebenen Mafsen zu fchliefsen von der Hand eines Italie-
ners; unter anderem auch die zwei Aufriffe und fünf Grundriffe eines
fchmalen, vielleicht venetianifchen Haufes. Doch ift die Nachricht, dafs
Dürer wirklich in Venedig die Fagade eines Haufes ausgemalt habe2),
mit gröfster Vorficht aufzunehmen, da fonft kein Beifpiel eigenhändiger
Wandmalerei von Dürer bekannt ift. Dagegen erzählt er felbft in feinem
Niederländifchen Tagebuche, dafs er dem Hofarzte der Erzherzogin
Margarethe »ein Haus aufreifsen mufste, wonach diefer eines bauen
wollte; für diefe Arbeit möchte ich auch unter 10 Gulden nicht gerne
nehmen« 3). Nach dem Zufatze zu fchliefsen, mufs der Aufrifs doch
ein ziemlich eingehender gewefen fein. Einen Beleg für Dürers Ruf
als Architekt liefert auch noch der humoriftifche Brief von Charitas,
der gelehrten Schwerter Pirkheimers, der Aebtiffin bei S. Clara an die
Abgefandten Nürnbergs auf dem Reichstage zu Augsburg 1518. Darin
heifst es von Dürer: »Desgleichen mag auch Herr Albrecht Dürer,
der ein Zeichenmeifter und Ingeniofus ift, die Ordensgebäude zur
Genüge wohl anfehen; wenn wir dereinft unferen Chor anders bauen
würden, dafs er dann Hilfe und Rath zu geben wiffe, um weite Schlupf-
fenfter zu machen, auf dafs uns die Augen nicht gar erblinden«. Wir
wiffen aber nicht, wo und ob fich Dürer als Baumeifter praktifch be-
thätigt hat1).

Thatfächlich ift der Rahmen zum Allerheiligenbilde das einzige
ausgeführte Denkmal, das von Dürers Architektur auf uns gekommen
ift. Wir mufsten ihn daher einer eingehenden Betrachtung würdigen.
Es ift immerhin merkwürdig, bis zu welchem Grade bei Dürer bereits

1) Jahrbücher f. Kunftw. I. 17.

2) Bottari, Lettere pittoriche, Milano
1822, III. 349. Nr. 166 Demi an Simone
Carnesecchi um d. J. 1550 etwa. Die Le-
fung und die Interpunction der ganzen
Stelle fcheint mir überdiefs verdächtig; fie
handelt von den Sehenswürdigkeiten Ve-
nedigs: a Vinegia quattro cavalli divini; le
cose di Giorgione da Castelfranco pittore;
la storia di Tiziano (uomo eccellentissivno).
In palazzo la facciata della casa dipinta

da Alberto Duro; in san Bartolommeo in
particolare v'e lo studio del Bembo« etc.
Da fcheint denn doch »in palazzo« zu
Tizian, »in san Bartolommeo« zu Dürer
hinauf zu gehören und letzteres nicht zu
Bembo ?

3) Dürers Briefe etc. 95.

4) Was ihm in Nürnberg traditionell
zugefchrieben wird, entbehrt jeder Be-
glaubigung z. B. das Mafswerk bei Heide-
loff, Ornamente des Mittelalters 1838. B. II.
 
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