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Der Christustypus.

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Fauft. In der Concentrierung einer reichen Individualität auf einen
erprobten, populären Stoff liegt ja das Geheimnifs der tiefften künft-
lerifchen Wirkung. So hat denn auch Dürer mit durchfchlagendem
Erfolge fein männliches Ideal der eigenen Perfönlichkeit entlehnt. Das
allgemein verbreitete Urtheil, dafs er einen Chriftuskopf gehabt habe,
beruht infoferne auf ganz richtiger Beobachtung; nur ift es ein Hy-
fteron proteron, deffen Faffung nach genauerer Schlufsfolgerung dahin
zu verkehren ift, dafs eben unfer modernes Chriftusbüd die Züge Dü-
rers trägt.

Zum Verftändniffe Dürers genügt es darum auch nicht, ihn blofs
als Maler, als Zeichner kennen zu lernen. Auch nicht blofs derKünftler
— der ganze Menfch und fein ganzes Leben, der Schriftfteller und
Denker, der Bürger und Patriot mufs gleicherweife in Betracht gezogen
werden. So wie er ift von innen und aufsen, erfcheint er felbft als
ein Kunftwerk aus der Hand eines höheren Meifters. Was Goethe von
Lionardo da Vinci behauptet, indem er ihn einen Normalmenfchen
nennt, das gilt in noch edlerem Sinne von Dürer. Er ift ein Mufter-
menfch unter den bildenden Künftlern, wie Goethe felbft einer ift unter
den Dichtern.
 
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