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XV. Die Niederländil'che Reife.

Frau; von ihrem Sohne Paulus Coler erwarb Wilibald Imhoff nach-
mals Dürer'fche Zeichnungen. Endlich die angefehenen Rathsherrn
und Septemvirn Jakob Muffel und Hieronymus Holzfchuher, deren
Bildniffe Dürer 1526 malte.

Noch vom Jahre 1521 aber befitzen wir ein Porträt von Dürer in
Oel auf Holz gemalt; nach dem übereinftimmenden Zeugniffe von
Mündler und Waagen das fchönfte von Dürers bekannten Bildniffen.
Das Bruftbild des beleibten Mannes in fchwarzem, pelzverbrämtem
Rocke, den Kopf mit einem breitkrempigen Hute bedeckt, in der
Hand eine Papierrolle, befindet fich im königlichen Mufeum zu Madrid.
Es ift eine vollendete Kupferftecherarbeit, wie mit der Lupe ausge-
führt und doch bei der ftärkften Vergröfserung noch fcharf und ge-
diegen erfcheinend, dabei aber breit und voll in der Wirkung — das
Leben felbft! In den Augen und in dem Munde liegt eine unbändige
Thatkraft, Charakterfeftigkeit und Entfchloffenheit, für zarte Eindrücke
fcheint aller Raum zu fehlen. Haar, Pelz, Hände, das Papier, das er
in der Linken hält, alles ift mit gleicher Schärfe ausgeführt. Nur die
rechte Hand, von der nichts als die Finger auf einer unfichtbaren
Brüftung aufliegend erfcheinen, zeigt Anklänge an die unnütze Häufung
gefchwungener Linien, dazu der gewohnte Kupferftich leicht ver-
führen konnte. Sonft ift alles reine Natur; der Fleifchton im Kopfe
von kräftigem Braun und das Ganze von harmonifcher Wärme.
Mit Ausnahme ganz kleiner Stellen am Hälfe ift das Bild vollkommen
erhalten 1).

Wer ift der Mann, dem Dürer diefe fo überaus forgfältige Malerei
gewidmet hat? Die Bezeichnung mit 1521 legt es allerdings nahe,
an eine der Perfönlichkeiten zu denken, deren Bildnifs in den Nieder-
landen gemalt zu haben fich Dürer berühmt. Doch das ift keine
Malerei mit geliehenen Farben und von fremder Palette. Bei diefer
Ausführung mufste Dürer wohl den Boden der eigenen Werkftatt
unter den Füfsen haben, bedurfte er der Mufse und Behaglichkeit,
die er nur daheim fand. Welch' ein Abftand zwifchen diefem Bild-
nifse und dem im felben Jahre zu Antwerpen gemalten Porträte des
Bernhard von Reffen in Dresden! Das Madrider Bildnifs wird fomit zu-
verläffig erft in der zweiten Hälfte des Jahres nach Dürers Rückkehr
in Nürnberg gemalt worden fein, und dort muffen wir wohl nach der
kernigen Bürgerfigur fuchen, welche dasfelbe darftellt. Da zeigt fich
allerdings eine grofse Aehnlichkeit mit einem anonymen, freilich
fpäteren und fehr mittelmäfsigen Kupferftiche, welcher faft in derfelben

I) Briefliche Milthcihmgen von Otto Mündler.
 
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