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Der Ueberbringer dieses Briefes“, so schreibt am 27. No-
[vember der Gonfaloniere von Florenz, Piero Soderini,
an den Kardinal von Volterra, „ist Michelangelo, ein
Bildhauer, welchen wir senden, um Seiner Heiligkeit zu Ge-
fallen zu sein und genug zu thun. Wir versichern, dass er ein
ausgezeichneter junger Mann ist und in seiner Kunst ohne
Gleichen in Italien, ja vielleicht in der Welt. Wir können ihn
nicht dringend genug empfehlen. Seine Natur ist von der Art,
dass er, giebt man ihm gute Worte und Freundlichkeit, Alles
thut; man muss ihm Liebe zeigen und ihn freundlich be-
handeln, dann wird er Werke schaffen, die ein Wunder der
ganzen Welt sein werden.“
Diese Worte klingen wie eine Antwort auf die vom Papst
Julius II. geäusserte und von den Zeitgenossen allgemein ge-
theilte Meinung: „Michelangelo ist furchtbar (terribile), man
kann Nichts mit ihm anfangen“.
Hätten wir nur diese beiden Zeugnisse, sie könnten ge-
nügen, uns von der Wesensbeschaffenheit des Künstlers eine
klare Anschauung zu geben. Mit Bestimmtheit weisen sie
darauf hin,'dass dessen Eigenart in der Verbindung eines
zugleich höchst sensitiven und höchst leidenschaftlichen Tem-
peramentes mit einem durch Güte und Adel ausgezeichneten
Gemüthe zu suchen ist. Ja der Ahnungsvolle würde vielleicht,
da dieser so geartete gewaltige Mensch ein künstlerischer
Genius war, zugleich ohne weiteres einen allgemeinen Schluss
auf Michelangelos intellektuelle Anlagen und auf das Ver-
hältniss, in welchem sie zu einander standen, ziehen, indem
 
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