SCHLUSS
Der letzte Gedanke Michelangelos galt dem Leiden
Christi. Ein zwiefaches Bekenntniss ist hierin einbeschlossen:
dieses, dass sein eigenes Leben ein Martyrium gewesen, zu-
gleich aber auch das andere, dass das Leiden ihm die Er-
kenntniss und die Gewissheit der Erlösung gebracht. So ist
er, nach Allem, ein Sieger, der sich aus tausendfachen Banden
die Freiheit erkämpft, in den Tod gegangen.
Dass ein Held geschieden, dessen sind sich die Zeit-
genossen bewusst gewesen, und Florenz übernahm es, sein
Gedächtniss wie das eines der Grössten der Menschen zu
verherrlichen, als es dem Sohne die Leichenfeier bereitete und
Fürst und Land ihn unter unerhörten Ehren und Trauerveran-
staltungen zur Ruhestätte in der Franziskanerkirche S. Croce
geleitete. Einem Könige gleich ist der einfache Mann, der
wie ein Armer gelebt, bestattet worden.
Von Denen, die seiner Bahre folgten, hat ihn Einer ganz
gekannt? Bewundert, angestaunt, verehrt war er von Vielen
worden, und Manche gab es, die mit Condivi, Vasari und
Cavalieri zu ihm aufschauten, wie zu einer überirdischen Er-
scheinung. Kein Name wie der seine war in Italien gefeiert,
ja weit über dessen Grenzen bekannt. Es wird uns von vor-
nehmen Deutschen erzählt, welche 1557 Pier Vittori (Brief bei
Gaye II, 418) anflehten, den Meister wenigstens nur sehen
zu dürfen. Man nannte ihn „den Göttlichen“. Aber ward
er in gleichem Grade auch geliebt? Der Eine, der in der
Einfalt seines treuen Herzens und in rückhaltloser Hingebung
vielleicht einzig alle Herrlichkeit dieses Wesens fühlend er-
fasst hatte, Urbino, war, wie der getreue Condivi, seinem
Herrn vorangegangen, „ihn zu erwarten, dass er bei ihm
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Der letzte Gedanke Michelangelos galt dem Leiden
Christi. Ein zwiefaches Bekenntniss ist hierin einbeschlossen:
dieses, dass sein eigenes Leben ein Martyrium gewesen, zu-
gleich aber auch das andere, dass das Leiden ihm die Er-
kenntniss und die Gewissheit der Erlösung gebracht. So ist
er, nach Allem, ein Sieger, der sich aus tausendfachen Banden
die Freiheit erkämpft, in den Tod gegangen.
Dass ein Held geschieden, dessen sind sich die Zeit-
genossen bewusst gewesen, und Florenz übernahm es, sein
Gedächtniss wie das eines der Grössten der Menschen zu
verherrlichen, als es dem Sohne die Leichenfeier bereitete und
Fürst und Land ihn unter unerhörten Ehren und Trauerveran-
staltungen zur Ruhestätte in der Franziskanerkirche S. Croce
geleitete. Einem Könige gleich ist der einfache Mann, der
wie ein Armer gelebt, bestattet worden.
Von Denen, die seiner Bahre folgten, hat ihn Einer ganz
gekannt? Bewundert, angestaunt, verehrt war er von Vielen
worden, und Manche gab es, die mit Condivi, Vasari und
Cavalieri zu ihm aufschauten, wie zu einer überirdischen Er-
scheinung. Kein Name wie der seine war in Italien gefeiert,
ja weit über dessen Grenzen bekannt. Es wird uns von vor-
nehmen Deutschen erzählt, welche 1557 Pier Vittori (Brief bei
Gaye II, 418) anflehten, den Meister wenigstens nur sehen
zu dürfen. Man nannte ihn „den Göttlichen“. Aber ward
er in gleichem Grade auch geliebt? Der Eine, der in der
Einfalt seines treuen Herzens und in rückhaltloser Hingebung
vielleicht einzig alle Herrlichkeit dieses Wesens fühlend er-
fasst hatte, Urbino, war, wie der getreue Condivi, seinem
Herrn vorangegangen, „ihn zu erwarten, dass er bei ihm
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