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Das Jüngste Gericht
sich aus Danieles da Volterra Brief an Vasari (Gotti II, 358) ergiebt,
nicht die Gestalten des Gerichtes, sondern Christi Abschied von
der Mutter dar. - — - Die im Folgenden mit St. angegebenen Nummern
beziehen sich auf das Verzeichniss der Zeichnungen im Anhang I
des Steinmann'schen Werkes über die Sixtinische Kapelle, II. Band.
I
Gesamtentwürfe
für das Fresko oder für einzelne Gruppen
I. Die Hauptgruppe. Bayonne, Musee Bonnat. Thode 2.
St. 64. Abb. Woodburn: Lawrence Gallery 14. St. S. 665, 64.
Kreide. Christus mit erhobener rechter Hand, die Linke vor der
Seitenwunde, den Blick nach unten gerichtet, sitzt in der Mitte.
Seine Haltung ist ungefähr schon die im Fresko gegebene. Nur
ist in der Zeichnung das linke Bein weiter ausgestreckt, das
rechte nicht ganz so gekrümmt. In unmittelbarer Nähe rechts
neben ihm scheinen eine oder zwei Figuren angedeutet. Etwas
unter ihm, mit den Köpfen etwa die Höhe seiner Kniee er-
reichend, sitzen links und rechts, in schräger Vertiefung an-
geordnet, je sechs Figuren (doch kann man auch sieben zählen,
wenn man einen ganz flüchtig skizzirten Kopf mit rechnet).
Und hinter diesen zwei besonders hervorgehobenen Gruppen
schliessen sich, kreisförmig angeordnet, eine grosse Anzahl von
nur leicht skizzirten Personen an. Die Stimmung der Christus
umgebenden Gestalten ist, verglichen mit der Erregung der
Figuren im Fresko, eine verhältnissmässig ruhige. Nur die
beiden hintersten fahren mit Bewegungen des Schreckens auf,
eine andere rechts sucht sich zu verkriechen, und die vorderste
links hebt wie flehend ihre Arme zu Christus empor. Diese
letztgenannte nennt Steinmann Maria. Es ist möglich, dass
die Madonna hier gemeint ist, sicher aber ist es, dass in den
zwei Gruppen vorne die zwölf Apostel zu erkennen sind.
Michelangelo knüpft also zunächst, so lebendig bei ihm
auch Alles wird, an die Tradition an, welche die Apostel als
Beisitzer zeigt. Bedenkt man dies, so wird es wahrscheinlich,
dass auch Maria und Johannes als Pendants von ihm beab-
sichtigt waren, und dann käme man darauf, die vorderste
Figur links als Maria und die rechts in ruhigem Anschauen
versunkene als Johannes zu bezeichnen. In diesem Falle, der
mir sehr wahrscheinlich dünkt, hätte man links und rechts
je sieben Figuren zu zählen.
II. Entwurf für das ganze Fresko. Florenz, Casa
Buonarroti XIII, 65. Thode 57. Ber. 1143- St. 65. Abb.
Das Jüngste Gericht
sich aus Danieles da Volterra Brief an Vasari (Gotti II, 358) ergiebt,
nicht die Gestalten des Gerichtes, sondern Christi Abschied von
der Mutter dar. - — - Die im Folgenden mit St. angegebenen Nummern
beziehen sich auf das Verzeichniss der Zeichnungen im Anhang I
des Steinmann'schen Werkes über die Sixtinische Kapelle, II. Band.
I
Gesamtentwürfe
für das Fresko oder für einzelne Gruppen
I. Die Hauptgruppe. Bayonne, Musee Bonnat. Thode 2.
St. 64. Abb. Woodburn: Lawrence Gallery 14. St. S. 665, 64.
Kreide. Christus mit erhobener rechter Hand, die Linke vor der
Seitenwunde, den Blick nach unten gerichtet, sitzt in der Mitte.
Seine Haltung ist ungefähr schon die im Fresko gegebene. Nur
ist in der Zeichnung das linke Bein weiter ausgestreckt, das
rechte nicht ganz so gekrümmt. In unmittelbarer Nähe rechts
neben ihm scheinen eine oder zwei Figuren angedeutet. Etwas
unter ihm, mit den Köpfen etwa die Höhe seiner Kniee er-
reichend, sitzen links und rechts, in schräger Vertiefung an-
geordnet, je sechs Figuren (doch kann man auch sieben zählen,
wenn man einen ganz flüchtig skizzirten Kopf mit rechnet).
Und hinter diesen zwei besonders hervorgehobenen Gruppen
schliessen sich, kreisförmig angeordnet, eine grosse Anzahl von
nur leicht skizzirten Personen an. Die Stimmung der Christus
umgebenden Gestalten ist, verglichen mit der Erregung der
Figuren im Fresko, eine verhältnissmässig ruhige. Nur die
beiden hintersten fahren mit Bewegungen des Schreckens auf,
eine andere rechts sucht sich zu verkriechen, und die vorderste
links hebt wie flehend ihre Arme zu Christus empor. Diese
letztgenannte nennt Steinmann Maria. Es ist möglich, dass
die Madonna hier gemeint ist, sicher aber ist es, dass in den
zwei Gruppen vorne die zwölf Apostel zu erkennen sind.
Michelangelo knüpft also zunächst, so lebendig bei ihm
auch Alles wird, an die Tradition an, welche die Apostel als
Beisitzer zeigt. Bedenkt man dies, so wird es wahrscheinlich,
dass auch Maria und Johannes als Pendants von ihm beab-
sichtigt waren, und dann käme man darauf, die vorderste
Figur links als Maria und die rechts in ruhigem Anschauen
versunkene als Johannes zu bezeichnen. In diesem Falle, der
mir sehr wahrscheinlich dünkt, hätte man links und rechts
je sieben Figuren zu zählen.
II. Entwurf für das ganze Fresko. Florenz, Casa
Buonarroti XIII, 65. Thode 57. Ber. 1143- St. 65. Abb.