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Lünette der Sixtina.

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DAS PROBLEM DER MICHELANGELO’SCHEN KUNST
u höchsten Höhen sich aufschwingende Sehnsucht nach der
Schönheit, in tiefste Tiefen sich versenkendes Glaubensver-
langen, von diesen beiden Kräften ward das seelische Leben
Michelangelos beherrscht, sein geistiges Gestalten bestimmt — seit
jenen ersten jugendlichen Eindrücken, da ihm die zwei Welten
durch Lorenzo Medici und Savonarola erschlossen wurden, bis zu
den Zeiten, in denen sie als Tommaso Cavalieri und Vittoria
Colonna wiederum zu Persönlichkeiten sich verdichtetenI Dieselbe
ungestüme Leidenschaft, welche, im empörten Kampfe einer über-
mächtigen Einbildungskraft mit der Wirklichkeit, zornig das
Schicksal herausfordernd und nie endende Leiden erzeugend, dem
Schaffen zum Hemmniss ward, sie, welche in nie befriedigtem Liebes-
drange das hochgemuthe Streben in die Traumbeängstigungen scheuen
Mißtrauens, in die Düsternisse der Schwermuth, ja in undurchdring-
liches Dunkel der Verzweiflung hinabsinken ließ — sie steigerte
seine Phantasie zu Visionen einer Welt ewiger Ideen und sein
Gemüthsleben zu einem inbrünstigen Liebesumfassen derselben.
Thode, Michelangelo III. I
 
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