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Lünette der Sixtina.


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DER ANTIKE MYTHUS UND DER PLASTISCHE STIL
Will man den Charakter der griechischen Kunst und Kultur
mit einem Worte kennzeichnen, so muß man ihn „plastisch“ nennen,
d. h. vom Gefühl für körperliche Form bestimmt. Herrschend steht
die Plastik, der in Stein oder Metall geformte schöne menschliche
Leib, in der Mitte der Künste. Plastisch ist in organischer Gliede-
rung die Architektur, plastisch im festumgrenzten Scheinbild des
Menschen und seiner Umgebung die Malerei, plastisch im ausgeprägten
Rhythmus von Tönen und Worten die Musik und die Dichtkunst,
plastisch die Vorstellung des Erzählers und des Denkers, lebende
Plastik und plastisch in seiner Gliederung das dramatische Kunstwerk.
Die Bestimmung der Griechen, im Siege über die Schrecknisse
der Natur dem Menschen die Freiheit zu schenken, in ihm das
Maaß aller Dinge zu finden, führte die ihrer Schauenskraft freudig
bewußten, schöpferisch Gewillten zur Verherrlichung und Heiligung
der menschlichen Erscheinung. Der Natur angehörig, aber in der
Vollkommenheit seines leichtbeweglichen leiblichen Organismus ein
Herrscher über sie,, vermochte der Hellene, allen wirren Spuk einer
geängsteten Phantasie abschüttelnd, sich die hochwaltenden Mächte
 
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