Die Vorherrschaft der Malerei in der Renaissance.
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Sie begann mit dem Relief, und zwar mit der Nachahmung
des spätrömischen, von Figuren überfüllten Sarkophaghochreliefs.
Die großartigen Gebilde Niccola Pisanos offenbaren das gewaltsame
Ringen des neuen Lebens mit den alten Formen. Giovanni Pisano,
obgleich er am Hochrelief festhält, durchbricht jene und beschreitet,
wie Giotto, den Weg des Naturstudiums. Eindrücke der hoch
entwickelten französischen Skulptur wirken mitbestimmend auf seinen
Stil und vorbildlich im besonderen für die ersten bescheidenen
statuarischen Bildungen: Madonnenstatuetten, in denen das Fran-
zösische der Haltung und Gewandbehandlung von Nachklängen des
Antikischen in den Köpfen modifizirt wird. In der Lebhaftigkeit
der Erzählungsweise geht Giovanni über Niccola hinaus, mit dem
er in geheimnissvoll wirkender Seelensprache wetteifert. Eine wesent-
liche Veränderung im Reliefstil tritt, indess Giovannis Art in Arbeiten
seiner Schule vielfach bis in die zweite Hälfte des Trecento fortlebt,
in den Werken Andrea Pisanos ein. Sie ist zurückzuführen auf den
Einfluß der Malerei. Sowohl in den Flachreliefs des Campanile,
wie in den Hochreliefs der Bronzethürcn des Baptisteriums giebt
dieser sich kund. In den letzteren ist mit dem System der Raum-
ausfüllung gebrochen und die giotteske Kompositionsweise — klare
Sonderung weniger Figuren und Einordnung derselben in einen
freieren Raum, sei es Landschaft oder Architektur — getreu nach-
geahmt. Und von der Giotto sehen, respektive der sienesischen
Malerei, beeinflußt sind alle die zahlreichen, für die Ausschmückung
von Grabdenkmälern und Altären bestimmten Reliefs, die in der
Folgezeit bis zum Ende des XIV. Jahrhunderts entstehen: in Stein
übertragene Gemälde. Von monumentalem Sinn in dem Entwurf
und der Ausführung der Grabmäler, auf welche die Hauptkraft
der plastischen Thätigkeit verwandt wird, ist nicht die Rede. Man
sucht durch die Fülle von Historien, Statuetten und ornamental
architektonischen Theilen zu ersetzen, was an Größe abgeht. Und
die Statuenkunst macht so geringe Fortschritte, daß man den Ein-
druck gewinnt, als hätten die Italiener jenes Jahrhunderts geradezu
eine Scheu vor ihr gehabt. Mit diesen zu Statuen gesteigerten
Statuetten verglichen, wirken Niccolas und Giovanni Pisanos Kon-
zeptionen der kleinen Eckfiguren ihrer Kanzeln erhaben. Nur in
vereinzelten Werken, wie den norditalienischen Reiterstandbildern
und den Propheten am Campanile in Florenz, treten bedeutende
Intentionen zu Tage.
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Sie begann mit dem Relief, und zwar mit der Nachahmung
des spätrömischen, von Figuren überfüllten Sarkophaghochreliefs.
Die großartigen Gebilde Niccola Pisanos offenbaren das gewaltsame
Ringen des neuen Lebens mit den alten Formen. Giovanni Pisano,
obgleich er am Hochrelief festhält, durchbricht jene und beschreitet,
wie Giotto, den Weg des Naturstudiums. Eindrücke der hoch
entwickelten französischen Skulptur wirken mitbestimmend auf seinen
Stil und vorbildlich im besonderen für die ersten bescheidenen
statuarischen Bildungen: Madonnenstatuetten, in denen das Fran-
zösische der Haltung und Gewandbehandlung von Nachklängen des
Antikischen in den Köpfen modifizirt wird. In der Lebhaftigkeit
der Erzählungsweise geht Giovanni über Niccola hinaus, mit dem
er in geheimnissvoll wirkender Seelensprache wetteifert. Eine wesent-
liche Veränderung im Reliefstil tritt, indess Giovannis Art in Arbeiten
seiner Schule vielfach bis in die zweite Hälfte des Trecento fortlebt,
in den Werken Andrea Pisanos ein. Sie ist zurückzuführen auf den
Einfluß der Malerei. Sowohl in den Flachreliefs des Campanile,
wie in den Hochreliefs der Bronzethürcn des Baptisteriums giebt
dieser sich kund. In den letzteren ist mit dem System der Raum-
ausfüllung gebrochen und die giotteske Kompositionsweise — klare
Sonderung weniger Figuren und Einordnung derselben in einen
freieren Raum, sei es Landschaft oder Architektur — getreu nach-
geahmt. Und von der Giotto sehen, respektive der sienesischen
Malerei, beeinflußt sind alle die zahlreichen, für die Ausschmückung
von Grabdenkmälern und Altären bestimmten Reliefs, die in der
Folgezeit bis zum Ende des XIV. Jahrhunderts entstehen: in Stein
übertragene Gemälde. Von monumentalem Sinn in dem Entwurf
und der Ausführung der Grabmäler, auf welche die Hauptkraft
der plastischen Thätigkeit verwandt wird, ist nicht die Rede. Man
sucht durch die Fülle von Historien, Statuetten und ornamental
architektonischen Theilen zu ersetzen, was an Größe abgeht. Und
die Statuenkunst macht so geringe Fortschritte, daß man den Ein-
druck gewinnt, als hätten die Italiener jenes Jahrhunderts geradezu
eine Scheu vor ihr gehabt. Mit diesen zu Statuen gesteigerten
Statuetten verglichen, wirken Niccolas und Giovanni Pisanos Kon-
zeptionen der kleinen Eckfiguren ihrer Kanzeln erhaben. Nur in
vereinzelten Werken, wie den norditalienischen Reiterstandbildern
und den Propheten am Campanile in Florenz, treten bedeutende
Intentionen zu Tage.