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Einleitung.
Erst die Antike aber hat in den frühen Jahrzehnten des Quattro-
cento den Anstoß zu den Versuchen einer monumentalen
statuarischen Bildung gegeben. In seinen frühen Jugendwerken
für den Dom und für Orsanmichele übertrug Donatello, umgeben
von gleichstrebenden Genossen, das alte Ideal in die neuere Kunst,
wie er in diese auch den Typus der antiken Porträtbüste wieder ein-
führte. Sogleich aber stellt sich der Konflikt und die Entscheidung
ein. Kaum wieder belebt, wird der Stil von der unerbittlichen Wahr-
haftigkeit des leidenschaftlichen Genius erschüttert. Der auf Charak-
teristik gerichtete Naturalismus, dem Vorstellungen, wie die des
Johannes Baptista, des David, der Magdalena willkommen sein
mußten, zerstört das vorbildliche Stilgefüge: auf die Statuen von
Orsanmichele folgen die Propheten des Campanile. Damit war die
Frage, ob das Quattrocento eine bedeutende Statuenkunst haben
solle, in verneinendem Sinne beantwortet. Mochte in seinen späteren
Werken Donatello selbst, die allgemeinsten Normen der Gesetz-
mäßigkeit als geborener Bildner beachtend, den feurigen Drang nach
Bewegung und Charakteristik bändigen, mochte das Schönheitsgefühl
Verrocchios die herbe Gewalt seines kühnen Vorgängers mildern,
mochte in jugendlichen und Kindergestalten anmuthiges Empfinden
mit bestrickender Naivetät und in sensitiver Technik sich äußern —
eine statuarische Kunst von Bedeutung — wir dürfen
uns hierüber nicht täuschen — entstand selbst in Italien,
selbst in Florenz nicht. Vereinzelt ragen die beiden mäch-
tigen Reitergestalten in Padua und Venedig aus den anderen Schöp-
fungen hervor — wie charakteristisch aber gerade auch dies! Durfte
doch in ihnen, in der Bildung des Pferdes und des Kriegers, der
Naturalismus sich am ersten bewähren, ohne der Monumentalität
des gesamten Eindruckes zu nahe zu treten. Wie bezeichnend ander-
seits, daß die stilistisch vollkommensten Statuen die der Madonna
sind! Wie bezeichnend endlich, daß, als Ganzes betrachtet, die
Kunst der Porträtbüsten, mit ihrer feinfühligen, geistreich lebendigen
Charakteristik der Persönlichkeit, als die anziehendste Leistung des
Quattrocento zu betrachten ist. Der Überschuß bildneri-
scher Lust ergoß sich auch jetzt in das enge Gefäß
des Reliefs. Schon Donatello befreite sich in ihm von dem un-
erhörten Reichthum seiner Phantasie und seiner Seele; in grenzen-
loser Bewunderung desselben folgen wir ihm von den fast klassisch
einfachen Gebilden seiner Jugendzeit bis zu den unser ganzes Wesen
Einleitung.
Erst die Antike aber hat in den frühen Jahrzehnten des Quattro-
cento den Anstoß zu den Versuchen einer monumentalen
statuarischen Bildung gegeben. In seinen frühen Jugendwerken
für den Dom und für Orsanmichele übertrug Donatello, umgeben
von gleichstrebenden Genossen, das alte Ideal in die neuere Kunst,
wie er in diese auch den Typus der antiken Porträtbüste wieder ein-
führte. Sogleich aber stellt sich der Konflikt und die Entscheidung
ein. Kaum wieder belebt, wird der Stil von der unerbittlichen Wahr-
haftigkeit des leidenschaftlichen Genius erschüttert. Der auf Charak-
teristik gerichtete Naturalismus, dem Vorstellungen, wie die des
Johannes Baptista, des David, der Magdalena willkommen sein
mußten, zerstört das vorbildliche Stilgefüge: auf die Statuen von
Orsanmichele folgen die Propheten des Campanile. Damit war die
Frage, ob das Quattrocento eine bedeutende Statuenkunst haben
solle, in verneinendem Sinne beantwortet. Mochte in seinen späteren
Werken Donatello selbst, die allgemeinsten Normen der Gesetz-
mäßigkeit als geborener Bildner beachtend, den feurigen Drang nach
Bewegung und Charakteristik bändigen, mochte das Schönheitsgefühl
Verrocchios die herbe Gewalt seines kühnen Vorgängers mildern,
mochte in jugendlichen und Kindergestalten anmuthiges Empfinden
mit bestrickender Naivetät und in sensitiver Technik sich äußern —
eine statuarische Kunst von Bedeutung — wir dürfen
uns hierüber nicht täuschen — entstand selbst in Italien,
selbst in Florenz nicht. Vereinzelt ragen die beiden mäch-
tigen Reitergestalten in Padua und Venedig aus den anderen Schöp-
fungen hervor — wie charakteristisch aber gerade auch dies! Durfte
doch in ihnen, in der Bildung des Pferdes und des Kriegers, der
Naturalismus sich am ersten bewähren, ohne der Monumentalität
des gesamten Eindruckes zu nahe zu treten. Wie bezeichnend ander-
seits, daß die stilistisch vollkommensten Statuen die der Madonna
sind! Wie bezeichnend endlich, daß, als Ganzes betrachtet, die
Kunst der Porträtbüsten, mit ihrer feinfühligen, geistreich lebendigen
Charakteristik der Persönlichkeit, als die anziehendste Leistung des
Quattrocento zu betrachten ist. Der Überschuß bildneri-
scher Lust ergoß sich auch jetzt in das enge Gefäß
des Reliefs. Schon Donatello befreite sich in ihm von dem un-
erhörten Reichthum seiner Phantasie und seiner Seele; in grenzen-
loser Bewunderung desselben folgen wir ihm von den fast klassisch
einfachen Gebilden seiner Jugendzeit bis zu den unser ganzes Wesen