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Thode, Henry; Thode, Henry [Editor]
Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 3,1): Der Künstler und seine Werke: Abth. 1 — Berlin: Grote, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.47068#0073
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Die Vorherrschaft der Malerei in der Renaissance.

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in Aufruhr setzenden, wildbewegten Passionsszenen an den Kanzeln
von S. Lorenzo. Denn, wie Jacopo della Quercia in seinen form-
sicheren Flachreliefs, hatte auch er anfangs in maaßvoller, klarer,
das Malerische vermeidender Weise einen Stil, den man fast dem
griechischen vergleichen könnte, gesucht. Dann aber, die Be-
rechtigung den Reliefs der Trajanssäule entnehmend, formt er, nach
den Gesetzen malerischer Konstruktion, mit unbegreiflicher Kunst-
fertigkeit in linearer Perspektive seine flachen Reliefgemälde, in-
dem er sich aller Hülfen für die Raumillusion: Überschneidungen,
Verjüngungen und architektonischer Linien bedient, ja bisweilen
selbst nicht davor zurückschreckt, die Perspektive nach dem Stand-
punkt des Betrachters zu berechnen. Fast alle Marmorbildner
wurden hierin seine Nachfolger. Es begreift sich, daß auf diesem
Wege jede reine und starke Wirkung verloren gehen mußte und
nur der Reiz unendlich zierlicher Arbeit übrig blieb. Man denke an
die erzählenden Werke Antonio Rossellinos, Benedettos da Majano,
Minos da Fiesoie. Diese ganze Kunst scheint auf das Niveau der
Elfenbeinschnitzereien herabgesunken zu sein.
Aus einer Kleinkunst auch, dem Goldschmiedehandwerk, erwuchs
die Bronzeplastik und behielt in den Werken Ghibertis, Pollajuolos
und Verrocchios dauernd die Spuren hiervon. Die malerische
Reliefart des zart empfindenden Schöpfers der Paradiesespforten
am Baptisterium ergab sich, in Anknüpfung an Andrea Pisano, aus
den technischen Möglichkeiten: in seinen architektonisch und land-
schaftlich reichen Bronzegemälden hält er sich zum Zwecke der
Raumvortäuschung an das Prinzip, die Figuren in verschieden hohem
Relief zu bilden, die vordersten fast ganz rund, die hintersten ganz
flach, wodurch die von Donatello fest gewahrte Einheitswirkung der
Raumschicht des Reliefs aufgehoben wird.
Diesen beiden malerischen Entartungen des Reliefs verglichen,
zeigt die Bildnerei in Thon, und zwar nur sie, ein reines Stil-
gefühl. Luca della Robbia, der an bedeutende, dem Namen nach
unbekannte, aber dem Geiste nach Jacopo della Quercia verwandte
Künstler der Übergangszeit aus dem Trecento in das Quattrocento
anknüpfen konnte, war es, der ihn in seinen Terrakotten und Mar-
morskulpturen schuf und auf seine Schule vererbte. Seine meist
in einem mittleren Relief gehaltenen Werke sind in ihrem klaren,
sanften Linienfluß und in der Abgewogenheit der Verhältnisse ohne
Vergleich die schönsten Schöpfungen des Quattrocento. Daß ein
Thode, Michelangelo III.

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