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III. Buch.
Tendenzen seiner Zeit verleugnend und der in ihnen enthaltenen
Zumuthungen sich erwehrend, in vollen Gegensatz zu derselben.
Im absolutesten Sinne Bildhauer, stellt er der unangefochtenen Herr-
schaft des malerischen Geistes sein Ideal entgegen und prägt es
der Malerei, als er zu dieser gezwungen wird, ein. Hierbei aber
ergiebt es sich,' daß er, obgleich ein tief mystischer Christ, wie
es keinen zweiten unter den Künstlern der Zeit gab, den Mythus
suchen muß. Das Wesen der ihn beherrschenden Kunst duldete
keinen Kompromiß, sondern verlangte das Reinmenschliche in den
zu behandelnden Stoffen. Damit waren fast alle christlichen Ge-
stalten ausgeschlossen, die eine: Maria ausgenommen. Er wird
zum entschiedenen Bruch mit den christlichen Vorstellungen, die
doch als die einzig natürlichen im inneren Leben und in den
äußeren Verhältnissen begründet waren, gedrängt.
Welche mythischen Anschauungen aber gab es, die auf gleichen
Gehalt und auf gleiche Allgemeinverständlichkeit hätten Anspruch
machen können? In seinen Jugendjahren durfte er sich dem Wahn
überlassen, antike Typen, wie den Herkules, Bacchus, Eros neu ge-
stalten zu können, nie aber hätte er sich später damit genuggethan,
Anschauungen zu formen, die, in einer anderen, längst vergangenen
Kultur Leben besessen und vollendete Bildung erhalten, nun aber,
nur künstlich und scheinbar belebt, der Seele nichts zu sagen hatten.
Diesen Ausweg, der ein Abweg in gehaltloses Formenspiel war,
mochten die Anderen einschlagen, nicht er. Er sieht sich darauf
angewiesen, selbst einen Mythus zu erdichten, und nimmt hierfür
die Elemente auf, welche, wie wir sahen, der christlichen Welt-
anschauung von Anfang an angehörten oder im Mittelalter ent-
standen waren. Er wird auf dieselbe Bahn getrieben, wie die
mittelalterliche Plastik, mit welcher er infolgedessen in viel innigerem
Zusammenhänge steht, als mit der Renaissance, und muß ihr Voll-
ender genannt werden.
Wie sie, hat er einerseits Alttestamentarisches, andrerseits
Allegorisches zum Gegenstand seiner Kunst gemacht. Nur hierin
erkannte er die Möglichkeit, ein großes, über die Wirklichkeit er-
höhtes Menschenthum zu schaffen. Wenn auch keine Götterwelt, so
doch ein Heroengeschlecht gewaltigster Art, dem auch Christus
gesellt ward.
Als er es aber ins Leben rief, da zeigte es sich doch weniger
den Göttern, als den Titanen, den Kindern der Gäa, verwandt.
III. Buch.
Tendenzen seiner Zeit verleugnend und der in ihnen enthaltenen
Zumuthungen sich erwehrend, in vollen Gegensatz zu derselben.
Im absolutesten Sinne Bildhauer, stellt er der unangefochtenen Herr-
schaft des malerischen Geistes sein Ideal entgegen und prägt es
der Malerei, als er zu dieser gezwungen wird, ein. Hierbei aber
ergiebt es sich,' daß er, obgleich ein tief mystischer Christ, wie
es keinen zweiten unter den Künstlern der Zeit gab, den Mythus
suchen muß. Das Wesen der ihn beherrschenden Kunst duldete
keinen Kompromiß, sondern verlangte das Reinmenschliche in den
zu behandelnden Stoffen. Damit waren fast alle christlichen Ge-
stalten ausgeschlossen, die eine: Maria ausgenommen. Er wird
zum entschiedenen Bruch mit den christlichen Vorstellungen, die
doch als die einzig natürlichen im inneren Leben und in den
äußeren Verhältnissen begründet waren, gedrängt.
Welche mythischen Anschauungen aber gab es, die auf gleichen
Gehalt und auf gleiche Allgemeinverständlichkeit hätten Anspruch
machen können? In seinen Jugendjahren durfte er sich dem Wahn
überlassen, antike Typen, wie den Herkules, Bacchus, Eros neu ge-
stalten zu können, nie aber hätte er sich später damit genuggethan,
Anschauungen zu formen, die, in einer anderen, längst vergangenen
Kultur Leben besessen und vollendete Bildung erhalten, nun aber,
nur künstlich und scheinbar belebt, der Seele nichts zu sagen hatten.
Diesen Ausweg, der ein Abweg in gehaltloses Formenspiel war,
mochten die Anderen einschlagen, nicht er. Er sieht sich darauf
angewiesen, selbst einen Mythus zu erdichten, und nimmt hierfür
die Elemente auf, welche, wie wir sahen, der christlichen Welt-
anschauung von Anfang an angehörten oder im Mittelalter ent-
standen waren. Er wird auf dieselbe Bahn getrieben, wie die
mittelalterliche Plastik, mit welcher er infolgedessen in viel innigerem
Zusammenhänge steht, als mit der Renaissance, und muß ihr Voll-
ender genannt werden.
Wie sie, hat er einerseits Alttestamentarisches, andrerseits
Allegorisches zum Gegenstand seiner Kunst gemacht. Nur hierin
erkannte er die Möglichkeit, ein großes, über die Wirklichkeit er-
höhtes Menschenthum zu schaffen. Wenn auch keine Götterwelt, so
doch ein Heroengeschlecht gewaltigster Art, dem auch Christus
gesellt ward.
Als er es aber ins Leben rief, da zeigte es sich doch weniger
den Göttern, als den Titanen, den Kindern der Gäa, verwandt.