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Frühe Zeichnungen.

grundirtem Papier und die Modellirung durch aufgehöhte weiße
Lichter, hat er, auch als Jüngling, für seinen Intentionen nicht
entsprechend gehalten. Er bedient sich damals nur der den Bild-
hauern genehmen Feder und dringt mit deren harten und scharfen
Strichen, reiche Kreuzschaffirung für die Schatten anwendend, auf
nachdrückliche, klare und bestimmte Formgebung.
Die kolorirte Nachzeichnung eines Schongauer-
sehen Stiches: „Die Versuchung des hl. Antonius“, von
der als erster Arbeit des Knaben Vasari und Condivi erzählen, ist
vielleicht nicht allein durch die Freude an den phantastischen Un-
geheuern, für deren Farben er Studien auf dem Fischmarkt an-
stellte, sondern auch durch das Interesse, welches ihm die präzise
und durchgeführte Zeichnungsweise erweckte, veranlaßt worden.
Sie ist uns nicht erhalten. Wohl aber dürfen wir als Bestätigung
für die Angaben der Biographen sechs durchgeführte Studien
nach älteren Vorbildern betrachten, wenn diese auch zum
Theil schon in die Lehrzeit der folgenden Jahre zu versetzen sind.
Die eine in Chantilly (siehe Verz.. am Ende dieses Buches Nr. 7), ist
nach Antiken und einer vielleicht Masaccioschen gewandeten Frau
verfertigt; die zweite, in Haarlem (Verz. 271), zeigt Figuren nach
einem älteren, nicht näher zu benennenden Meister des Quattrocento;
dasselbe gilt von der dritten in der Malcolmschen Sammlung im
British Museum (Verz. 348); ein Blatt im Münchener Kupferstich-
kabinett (Verz. 380) giebt den Petrus im „Zinsgroschen“ desMasaccio,
eines im Louvre (Verz. 481) zwei Männer aus Giottos Himmel-
fahrt des Johannes Evangelista wieder; die sechste endlich, in der
Albertina zu Wien (Verz. 525), kopirt Gestalten aus einem Werke
Ghirlandajos oder Masaccios.
Was Michelangelo bei diesen sorgfältigen Arbeiten beschäftigt,
ist vornehmlich das Problem bedeutender Gewanddrapirung. Sie be-
zeugen die Art seines frühesten Lernens: das Studium, nicht nach
der Natur, sondern nach großen Meistern!
Nicht länger aber als ein Jahr sollte das, wie üblich, vertrags-
mäßig auf drei Jahre bestimmte Lehrlingsverhältniss zu Ghirlandajo
dauern. Durch den Anblick der Skulpturen in den Mediceischen
Gärten, in die Michelangelo durch seinen Freund Granacci geführt
wurde, ward ihm die Erkenntniss seiner künstlerischen Bestimmung
geweckt. Nach Condivis Bericht fühlte er sich so unwiderstehlich
durch die dort angesammelten Schätze gefesselt, daß er, statt in
 
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