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Der Piccolominialtar.

Genius, der den Widerspruch fast zu verhehlen verstand, die Pieta
und die Madonna von unvergleichlicher Bedeutung; nie wieder ist
eine so wunderbare Durchdringung von Antikem und Christlichem
erreicht worden.
In unmittelbarem Zusammenhang mit den beiden Werken
wollen noch andre kleinere Arbeiten, in denen die geschilderten
Stileigenthümlichkeiten fast zu einer Manier zu werden scheinen,
betrachtet sein: nämlich zwei der wenig beachteten Statuen für
den Piccolominialtar im Dom zu Siena.
Durch Vermittlung Jacopo Gallos hatte er im Mai 1501 vom
Kardinal Piccolomini, dem späteren Papst Pius III., den Auftrag er-
halten, einen von Andrea Bregno begonnenen, aber nicht vollendeten
großen Wandaltar neben dem Eingang zur Libreria mit 15 Statuen
zu schmücken. In dem Vertrag vom 5. Juni, den er, schon nach
Florenz zurückgekehrt, unterschrieb, verpflichtete er sich, die Arbeit
in drei Jahren zu beendigen und die Figuren mit eigener Hand
auszuführen, in solcher Vollkommenheit, daß sie alle modernen
Statuen in Rom überträfen. Bis zum Jahre 1504, in welchem am
15. September nach dem Tode Pius’ III. der Kontrakt mit Dessen
Erben, Jacopo und Andrea Piccolomini, erneuert ward, waren nur
vier Statuen abgeliefert worden. Es wurde für die übrigen eine
weitere Frist von zwei Jahren angesetzt, aber des Meisters Berufung
nach Rom vereitelte seine fernere Beschäftigung mit der Aufgabe.
Die Regelung der Angelegenheit, was eine Schuld von 100 Dukaten
betrifft, fand, nach Verhandlungen im Jahre 1537, erst 1561 statt.
Die vier ausgeführten Statuen: ein Papst, ein Bischof und
zwei Apostel, sind von den Biographen des Meisters nur mit kurzen
Erwähnungen abgefertigt worden. Sie seien von geringer Be-
deutung und im Wesentlichen von seinen Gesellen ausgeführt. Wäre
dies letztere der Fall, dann hätte er die ausdrücklich eingegangene
Verpflichtung gebrochen, was seiner allzeit sich bewährenden Ge-
wissenhaftigkeit widerspricht, auch wird 1504 ausdrücklich bemerkt,
daß die Figuren die verlangte Güte und Vollkommenheit besäßen.
Die Verschiedenartigkeit erklärt sich demnach nicht aus der Thätig-
keit mehrerer Schülerhände, sondern daraus, daß Michelangelo
die Figuren zu verschiedener Zeit angefertigt. Der Papst und
der Bischof sind offenbar unmittelbar, nachdem er den Auftrag
erhalten, noch 1501 in Florenz entstanden, die beiden Apostel
aber später. Seine Arbeit an Torrigianos unvollendeter Statue
 
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