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Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt.

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ragender Weise. Andere versichern, in Flandern male man Ge-
wänder und Bäume in vorzüglicher Güte; wieder Andere sind der
Ansicht, in Italien leiste man Hervorragendes im Nackten, in der
Anordnung und in den Proportionen der Figuren. Und noch mehr
ähnliche Meinungen kann man zu hören bekommen. Ich jedoch
denke, daß, wer überhaupt gut zu zeichnen weiß und einen Fuß,
eine Hand oder einen Hals mit Meisterschaft darstellt, alles Ge-
schaffene zu malen vermag. Hinwiederum wird es Maler geben,
die alle Dinge auf Erden in so ungenügender Weise und so aus-
druckslos malen, daß es besser wäre, sic ließen ganz und gar davon
ab. Das Wissen des großen Mannes erkennt man daran,
daß er eine Sache — er verstehe sie noch so gut —
trotzdem mit furchtsamer Sorgfalt malt, während im
Gegentheil die Unwissenheit der Anderen sich an dem tollkühnen
Wagemuth zu erkennen giebt, mit dem sie Tafelbilder mit Dingen
anfüllen, die über ihre Kräfte hinausgehen. Es kann einen vor-
züglichen Meister geben, der nie mehr als eine Gestalt gemalt hat,
und ohne darüber hinauszugehen, verdient er mehr Ehre und Ruhm
als Solche, die tausend Bilder gemalt haben; denn besser versteht
er, was er nicht thut, als jene Das, was sie thun.“
„Doch nicht genug mit Dem, was ich Euch sage. Fast als ein
größeres Wunder erscheint es, daß, wenn ein bedeutender Maler
nur ein flüchtiges Profil hinwirft, wie Einer, der eine Sache anfangen
will, man sofort erkennen wird, falls Apelles der Meister war, daß
es eben von Apelles stammt; und wenn ein schlechter Maler es
gemalt hat, daß es ein solcher gewesen ist. Für sehende Augen
und für Die, welche daran denken, daß Apelles an einer einzigen
geraden Linie von Protogenes erkannt wurde — zwei Griechen von
unvergänglichem Ruhme —■ bedarf es nicht längerer Beweisführung,
noch auch weiterer Beispiele.“
Als Francisco dann die Frage stellt, was besser sei, ein Werk
schnell oder langsam zu vollenden, erhält er die Antwort:
„Das will ich Euch sagen. Nützlich und gut und ein Gnaden-
geschenk des Ewigen ist es, mit Leichtigkeit und Schnelle arbeiten
zu können, und, was ein Anderer in vielen Tagen erledigt, in wenigen
Stunden zu vollenden. Sonst hätte Pausias aus Sikyon sich nicht
so bestrebt, in einem Tage das Bild eines Kindes in höchster Voll-
kommenheit auf seine Tafel zu bringen. Wenn nämlich Einer, ob-
wohl er rasch malt, dennoch nicht auf hört, ebensogut zu malen
 
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