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Die Veränderungen 1519.
kamen, ist ohne Weiteres ersichtlich. Die Konsequenz war die bei
dem spätesten Plan und am Denkmal vorgenommene weitgehende
Veränderung.
Veränderungen aber hat der Meister schon im Jahre 1519 vor-
genommen. Damals arbeitete er an Statuen, die keine anderen sein
können, als „der Sieger“ und die vier „Prigioni“ der Grotte im Bo-
boligarten (jetzt in der Akademie), welche bei Michelangelos Tode
aus Dessen florentinischem Atelier in den Besitz des Herzogs Cosimo
übergegangen sind.
Dass die vier Prigioni für das Juliusdenkmal bestimmt waren,
ergiebt sich mit Gewissheit aus uns erhaltenen Studien für sie.
Eine solche findet sich für den jugendlichen, der den linken Arm
über den Kopf legt, schon auf dem frühen, vor 1513 entstandenen
Studienblatt im Louvre (Verz. 505). Die Zugehörigkeit des Siegers
zu dem Denkmal wird von Vasari behauptet, und alle dagegen
gemachten Einwände sind nicht stichhaltig. Lionardo, mit dem
Vasari den Nachlass regelte, war doch sicher gut darüber unter-
richtet.
Alle fünf Figuren nun verrathen, dass Michelangelo 1519 an
seinen ursprünglichen Entwürfen für die Gestalten des Unter-
geschosses nicht mehr festgehalten hat. Nicht allein, dass die
Sklaven kolossalischer in den Verhältnissen, wilder im Ausdruck
und in stärkeren krampfhaften Bewegungen gekrümmt sind, — dies
würde sich aus der gesammten Entwicklung seiner Kunst erklären
— sie sind auch, durchschnittlich gerechnet, um etwa 20 bis 25 cm.
höher als die beiden im Louvre. Offenbar also nahm der Meister
keine Rücksicht mehr auf die ursprünglich geplanten Hermenköpfe,
die auch wunderlich genug über diesen Gestalten gewirkt haben
würden, sondern dachte sich die Figuren unmittelbar als Träger
des Gesimses. Darauf weist bei zweien die Art der Bewegung hin,
aus der man irriger Weise hat schliessen wollen, sie seien als At-
lanten für die Fassade von S. Lorenzo bestimmt gewesen. Die ur-
sprüngliche Idee der gefesselten Künste scheint sich in die Vor-
stellung elementarer Gewalten verwandelt zu haben. Den Grössen-
verhältnissen nach, wie auch nach Geist und Behandlung, entspricht
der Sieger den Prigioni. Er war also für eine Nische zwischen
zwei Gefesselten bestimmt und bezeichnet eine noch entscheidendere
Wandlung in des Meisters Gedanken und Vorstellungen: an Stelle
der weiblichen Siegesgestalten tritt die männliche, was sich im
Die Veränderungen 1519.
kamen, ist ohne Weiteres ersichtlich. Die Konsequenz war die bei
dem spätesten Plan und am Denkmal vorgenommene weitgehende
Veränderung.
Veränderungen aber hat der Meister schon im Jahre 1519 vor-
genommen. Damals arbeitete er an Statuen, die keine anderen sein
können, als „der Sieger“ und die vier „Prigioni“ der Grotte im Bo-
boligarten (jetzt in der Akademie), welche bei Michelangelos Tode
aus Dessen florentinischem Atelier in den Besitz des Herzogs Cosimo
übergegangen sind.
Dass die vier Prigioni für das Juliusdenkmal bestimmt waren,
ergiebt sich mit Gewissheit aus uns erhaltenen Studien für sie.
Eine solche findet sich für den jugendlichen, der den linken Arm
über den Kopf legt, schon auf dem frühen, vor 1513 entstandenen
Studienblatt im Louvre (Verz. 505). Die Zugehörigkeit des Siegers
zu dem Denkmal wird von Vasari behauptet, und alle dagegen
gemachten Einwände sind nicht stichhaltig. Lionardo, mit dem
Vasari den Nachlass regelte, war doch sicher gut darüber unter-
richtet.
Alle fünf Figuren nun verrathen, dass Michelangelo 1519 an
seinen ursprünglichen Entwürfen für die Gestalten des Unter-
geschosses nicht mehr festgehalten hat. Nicht allein, dass die
Sklaven kolossalischer in den Verhältnissen, wilder im Ausdruck
und in stärkeren krampfhaften Bewegungen gekrümmt sind, — dies
würde sich aus der gesammten Entwicklung seiner Kunst erklären
— sie sind auch, durchschnittlich gerechnet, um etwa 20 bis 25 cm.
höher als die beiden im Louvre. Offenbar also nahm der Meister
keine Rücksicht mehr auf die ursprünglich geplanten Hermenköpfe,
die auch wunderlich genug über diesen Gestalten gewirkt haben
würden, sondern dachte sich die Figuren unmittelbar als Träger
des Gesimses. Darauf weist bei zweien die Art der Bewegung hin,
aus der man irriger Weise hat schliessen wollen, sie seien als At-
lanten für die Fassade von S. Lorenzo bestimmt gewesen. Die ur-
sprüngliche Idee der gefesselten Künste scheint sich in die Vor-
stellung elementarer Gewalten verwandelt zu haben. Den Grössen-
verhältnissen nach, wie auch nach Geist und Behandlung, entspricht
der Sieger den Prigioni. Er war also für eine Nische zwischen
zwei Gefesselten bestimmt und bezeichnet eine noch entscheidendere
Wandlung in des Meisters Gedanken und Vorstellungen: an Stelle
der weiblichen Siegesgestalten tritt die männliche, was sich im