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Architektur und menschliche Leiber.
mit kräftig umrahmteren kleineren Bild. Das Feld B entstand über
den Thronen: der Rahmenstreifen, welcher das grosse Bildfeld von
dem kleinen sonderte, führte von den Thronpfeilern der einen Seite
zu den der anderen hinüber; der Gedanke, ihn als eine Art von
Gurtbogen zu bilden, ging aus der Vorstellung einer architekto-
nischen Gliederung unmittelbar hervor. So entstand die seltsame,
massive, steinerne Wirklichkeit vortäuschende und diese Illusion
doch wieder aufhebende Fiktion eines von Gurtbögen getragenen
Gewölbes, das sich über senkrechten, von Thronnischen gegliederten
Wänden erhebt und zwischen den Gurten mit Bildern geschmückt
ist. Denn als Fresken an diesem Gewölbe müssen die Darstel-
lungen gedacht sein, konnte auch durch die drei ersten Schöpfungs-
szenen die Vorstellung geweckt werden, als sei das Gewölbe durch-
brochen und erblicke man in der Luft den dort als wirklich ge-
dachten Gottvater, als handle es sich also, wie mehrfach behauptet
worden ist, nicht um ein geschlossenes Tonnengewölbe, sondern
um eine Art von Hypäthraltempel.
Als dekorativen Schmuck des rahmenden Architekturgerüstes
verwandte der Plastiker, die Verzierung leerer Flächen mit blosser
Ornamentik verschmähend, menschliche Leiber. Er setzte in die kleinen
Flächen über den Thronen, die neben den schmalen Historien frei-
blieben, Medaillons, welche, al$ Bronzereliefs vorgestellt, alttestamen-
tarische Vorgänge, die Ergänzung der in den grossen Bildern gegebe-
nen Geschichte, enthalten. Aber dabei konnte der Künstler nicht
stehen bleiben. Die Monotonie der kahlen, breiten Gurtbogen war
unerträglich. Hier stellte sich nun der kühne Einfall jener statuen-
artig die Thronpfeiler bekrönenden nackten Jünglinge ein, welche,
die Hälfte der Gurtbogen verdeckend, ein reich belebendes Element
werden. Wenn neuerdings einmal behauptet worden ist, sie seien
nicht im ursprünglichen Plan gewesen, sondern später hinzugefügt
worden, so erscheint dies nicht glaubhaft. Sie treten mit Noth-
wendigkeit in der Genesis des Gesammtschemas ein, so gut wie
die Marmorputten, welche die schwere Masse der Thronpfeiler
durchbrechen und erleichtern. Die Motivirung für diese „Ignudi“,
in denen seine Phantasie sich freudiges Genüge thut, findet er in
der Deutung des architektonischen Rahmengerüstes als eines Fest-
baues, mit dessen Ausschmückung als Festonträger und Dekorateure
die Jünglinge sich zu thun machen. In ihnen, wie in den Bronze^
figuren der Eckfelder über den Stichkappen, finden Motive des
Architektur und menschliche Leiber.
mit kräftig umrahmteren kleineren Bild. Das Feld B entstand über
den Thronen: der Rahmenstreifen, welcher das grosse Bildfeld von
dem kleinen sonderte, führte von den Thronpfeilern der einen Seite
zu den der anderen hinüber; der Gedanke, ihn als eine Art von
Gurtbogen zu bilden, ging aus der Vorstellung einer architekto-
nischen Gliederung unmittelbar hervor. So entstand die seltsame,
massive, steinerne Wirklichkeit vortäuschende und diese Illusion
doch wieder aufhebende Fiktion eines von Gurtbögen getragenen
Gewölbes, das sich über senkrechten, von Thronnischen gegliederten
Wänden erhebt und zwischen den Gurten mit Bildern geschmückt
ist. Denn als Fresken an diesem Gewölbe müssen die Darstel-
lungen gedacht sein, konnte auch durch die drei ersten Schöpfungs-
szenen die Vorstellung geweckt werden, als sei das Gewölbe durch-
brochen und erblicke man in der Luft den dort als wirklich ge-
dachten Gottvater, als handle es sich also, wie mehrfach behauptet
worden ist, nicht um ein geschlossenes Tonnengewölbe, sondern
um eine Art von Hypäthraltempel.
Als dekorativen Schmuck des rahmenden Architekturgerüstes
verwandte der Plastiker, die Verzierung leerer Flächen mit blosser
Ornamentik verschmähend, menschliche Leiber. Er setzte in die kleinen
Flächen über den Thronen, die neben den schmalen Historien frei-
blieben, Medaillons, welche, al$ Bronzereliefs vorgestellt, alttestamen-
tarische Vorgänge, die Ergänzung der in den grossen Bildern gegebe-
nen Geschichte, enthalten. Aber dabei konnte der Künstler nicht
stehen bleiben. Die Monotonie der kahlen, breiten Gurtbogen war
unerträglich. Hier stellte sich nun der kühne Einfall jener statuen-
artig die Thronpfeiler bekrönenden nackten Jünglinge ein, welche,
die Hälfte der Gurtbogen verdeckend, ein reich belebendes Element
werden. Wenn neuerdings einmal behauptet worden ist, sie seien
nicht im ursprünglichen Plan gewesen, sondern später hinzugefügt
worden, so erscheint dies nicht glaubhaft. Sie treten mit Noth-
wendigkeit in der Genesis des Gesammtschemas ein, so gut wie
die Marmorputten, welche die schwere Masse der Thronpfeiler
durchbrechen und erleichtern. Die Motivirung für diese „Ignudi“,
in denen seine Phantasie sich freudiges Genüge thut, findet er in
der Deutung des architektonischen Rahmengerüstes als eines Fest-
baues, mit dessen Ausschmückung als Festonträger und Dekorateure
die Jünglinge sich zu thun machen. In ihnen, wie in den Bronze^
figuren der Eckfelder über den Stichkappen, finden Motive des