Die Anordnung des Rahmenwerkes.
303
Stellt sich uns so dessen Genesis mit einiger Deutlichkeit
dar, so dürfte der weitere Versuch, den Meister auch bei seinen
Erwägungen über die Gestaltung des dekorativen Rahmens, den die
Historien an der Decke erhalten mussten, zu belauschen, nicht ohne
Erfolg sein. An eine illusionistische Wirkung, wie sie nur durch
einheitliche, perspektivische Berechnung erreicht werden konnte, zu
denken, lag ganz ausserhalb des Vorstellungsbereiches des Bild-
hauers. Die Forderung einer Konstruktion des Deckenschmuckes
von einheitlichem Augenpunkte aus, wäre ungereimt. Sie wäre
auch auf Grund des aufgestellten Programmes unmöglich gewesen.
Man bedenke nur Art und Ausdehnung des Gewölbes einer- und
die Fülle und Gesondertheit des Darzustellenden andrerseits, um
sich hiervon zu überzeugen. Es handelte sich also, bei Verzicht-
leistung auf Vortäuschung irgend welcher Wirklichkeit, um die
Herstellung eines deutlich die Fläche gliedernden Rahmenwerkes.
Die natürliche Lösung des Problems wäre eine solche gewesen,
wie sie Raphael bei der Ausschmückung des Stichkappengewölbes
in der Farnesina gab: er gränzte das Mittelfeld scharf von den auch
ihrerseits deutlich umrahmten Zwickelfeldern ab und kennzeichnete
die Deckenbilder als Teppiche, die da oben angebracht. Eine so
einfache Anordnung befriedigte Michelangelo nicht. Wohl sah auch
er sich genöthigt, das mittlere Deckenfeld abzugrenzen, aber er
that dies doch nicht in einer so scharf absondernden Weise. Er
gestaltet sein Rahmenwerk als ein zusammenhängendes architek-
tonisches Gerüst. Es ist der Bildhauer, der Schöpfer des Ent-
wurfes für das Juliusdenkmal, der für seine statuarisch gedachten
Propheten und Sibyllen eine plastische Umgebung gestalten muss:
deren steinerne Thronsitze, schon in dem ersten Apostelentwurfe
vorgebildet, geben den Ausgangspunkt für die Eintheilung und
architektonische Gliederung der Gewölbefläche in neun Felder.
Diese alle gleich breit (d. h. den Abstand der Thronpfeiler durch-
weg gleich gross) zu machen, erschien, sowohl wegen der dann
eintretenden Monotonie, als auch wegen des sich ergebenden allzu-
breiten und allzuniedrigen, für Historienbilder ungünstigen Formates
der Felder unmöglich. Es war ein Rhythmus von abwechselnd
grossen und kleinen Bildfeldern zu gestalten.
Indem nun mit dieser Nothwendigkeit zugleich diejenige einer
klaren, die Bilder isolirenden Abgrenzung eintrat, ergab sich das
Schema AB. A: das Feld ganz vom Bild ausgefüllt, B: das Feld
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Stellt sich uns so dessen Genesis mit einiger Deutlichkeit
dar, so dürfte der weitere Versuch, den Meister auch bei seinen
Erwägungen über die Gestaltung des dekorativen Rahmens, den die
Historien an der Decke erhalten mussten, zu belauschen, nicht ohne
Erfolg sein. An eine illusionistische Wirkung, wie sie nur durch
einheitliche, perspektivische Berechnung erreicht werden konnte, zu
denken, lag ganz ausserhalb des Vorstellungsbereiches des Bild-
hauers. Die Forderung einer Konstruktion des Deckenschmuckes
von einheitlichem Augenpunkte aus, wäre ungereimt. Sie wäre
auch auf Grund des aufgestellten Programmes unmöglich gewesen.
Man bedenke nur Art und Ausdehnung des Gewölbes einer- und
die Fülle und Gesondertheit des Darzustellenden andrerseits, um
sich hiervon zu überzeugen. Es handelte sich also, bei Verzicht-
leistung auf Vortäuschung irgend welcher Wirklichkeit, um die
Herstellung eines deutlich die Fläche gliedernden Rahmenwerkes.
Die natürliche Lösung des Problems wäre eine solche gewesen,
wie sie Raphael bei der Ausschmückung des Stichkappengewölbes
in der Farnesina gab: er gränzte das Mittelfeld scharf von den auch
ihrerseits deutlich umrahmten Zwickelfeldern ab und kennzeichnete
die Deckenbilder als Teppiche, die da oben angebracht. Eine so
einfache Anordnung befriedigte Michelangelo nicht. Wohl sah auch
er sich genöthigt, das mittlere Deckenfeld abzugrenzen, aber er
that dies doch nicht in einer so scharf absondernden Weise. Er
gestaltet sein Rahmenwerk als ein zusammenhängendes architek-
tonisches Gerüst. Es ist der Bildhauer, der Schöpfer des Ent-
wurfes für das Juliusdenkmal, der für seine statuarisch gedachten
Propheten und Sibyllen eine plastische Umgebung gestalten muss:
deren steinerne Thronsitze, schon in dem ersten Apostelentwurfe
vorgebildet, geben den Ausgangspunkt für die Eintheilung und
architektonische Gliederung der Gewölbefläche in neun Felder.
Diese alle gleich breit (d. h. den Abstand der Thronpfeiler durch-
weg gleich gross) zu machen, erschien, sowohl wegen der dann
eintretenden Monotonie, als auch wegen des sich ergebenden allzu-
breiten und allzuniedrigen, für Historienbilder ungünstigen Formates
der Felder unmöglich. Es war ein Rhythmus von abwechselnd
grossen und kleinen Bildfeldern zu gestalten.
Indem nun mit dieser Nothwendigkeit zugleich diejenige einer
klaren, die Bilder isolirenden Abgrenzung eintrat, ergab sich das
Schema AB. A: das Feld ganz vom Bild ausgefüllt, B: das Feld