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332

Die Sündfluth.

3. Das fortdauernde Sündenelend und der Bund
mit Gott.

Der unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche die Darstellung

der Sündfluth dem
nicht Herr geworden,
von Pisa überbietend,

Künstler bereitete, ist selbst Michelangelo
so gewaltsam er sein Können, den Karton
anspannte. Die Komposition bringt keinen

einheitlichen Eindruck hervor, sondern wirkt zerstückelt, epi-

sodenhaft.

Der Übersichtlichkeit wegen hat der Künstler die Vorgänge in
vier Raumschichten hinter einander angeordnet. In der hintersten
befindet sich die Arche, auf deren Rand eine Anzahl Menschen
sich geflüchtet haben und der neu zudringenden sich erwehren,
und aus welcher Noah nach der versprochenen Rettung ausschaut.
Davor treibt eine grosse Wanne durch die Fluthen; auch in ihr
führt verzweifelte Lebensgier eine Schaar augenblicklich Geretteter
zu rücksichtsloser Gewaltthat gegen Andere. Uns näher zeigt sich
ein über das Wasser emporragender Fels, auf dem sich Alte und
Junge durch ein grosses ausgespanntes Tuch eine Art Behausung
bereitet haben. Menschliche Empfindungen kommen hier zu ihrem
Rechte: man schaut nach Hülfsbedürftigen aus, reicht ihnen die
Hände entgegen, hebt einen Bewusstlosen auf den Felsrand hinauf.
In Schmerzen streckt ein greises Paar die Arme nach dem todten
Sohne aus, den Dessen Bruder den Fluthen entrissen hat und mit
grosser Kraftanstrengung ans Land trägt. Ein zusammengekauerter
Jüngling stiert in dumpfer Verzweiflung auf das entsetzlich stei-
gende Wasser, das binnen Kurzem auch dieses Leben mit sich fort-
schwemmen wird. Eine verhältnissmässig sichere Zuflucht scheint
der höhere Hügel ganz im Vordergründe zu bieten. Ein langer
Zug von Wanderern, die in Eile ihr kärgliches Hausgeräth mit sich
genommen haben, steigt ihn hinan; voran ein junger Mann, der
sein entsetzt um sich schauendes Weib auf dem Rücken trägt. Sie
finden droben schon eine Gruppe von Geflüchteten. Ein sich um-
schlingendes Liebespaar, das bereit ist, den Tod mit einander zu
theilen, schaut zu einem Jüngling empor, der sich auf einen vom
Wind gepeitschten Baum rettet. Eine Mutter, deren Bein von einem
Kind umklammert wird, birgt, im Schauen erschauernd, ihr zweites
eng in den Armen. Eine andere setzt ihren Knaben auf einen Esel.
Am Boden lagert, hinter sich einen Knaben, eine dritte ältere,
hoffnungslos vor sich hinschauend. In dem Tumult der Elemente
 
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