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Das Schema der Lünettenbilder.

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Auch so aber blieben noch grosse Schwierigkeiten zu überwinden,
was sowohl die symmetrische Korrespondenz der Gestalten, als auch
die Bewegungsmotive und die Raumausfüllung betrifft. Innerhalb
des Zyklus lässt sich, gehen wir, da offenbar diesmal die Arbeit so
vorrückte, von der Altarwand aus nach der Eingangswand zu, deut-
lich der Fortschritt in der Lösung des Problems, der aber nicht
während des Malens, sondern bei der Anfertigung der Kartons von
September 1510 bis August 1511 sich vollzog, verfolgen: die Kom-
positionen werden immer einheitlicher und vollkommener.
In der Lünette Aminadab ist wohl die Frau gut in den Raum
hineinkomponirt, nicht aber der gerade sitzende Mann, und es ist
keinerlei Einheit ergebende Richtungsbeziehung der beiden Figuren
auf einander zu sehen. Die letztere fehlt auch gänzlich in der
Naasonliinette: jede Figur ist, ohne Rücksicht auf die andere, für
sich entworfen. Hier ist wiederum die Frau gut, der Mann nicht
glücklich dem Raum angepasst. Mangel an Korrespondenz ist auch
der Salomonlünette eigenthümlich: in den beiden Figuren ist die
Bewegung parallel, statt dass sie symmetrisch auf den Mittelpunkt
bezogen wären. Besser abgewogen erscheint die Jessekomposition,
aber es herrscht Ungleichheit in den Höhenverhältnissen der Ge-
stalten, und die Frau fällt gleichsam nach rechts ab. Weiteren
Fortschritt in Bezug auf die gleichmässige Raumausfüllung zeigt die
Roboamlünette, schon deutlichere Beziehung auf den Mittelpunkt,
aber noch Mangel an Symmetrie in den Oberkörpern. In der Asa-
lünette wird das einzig mögliche Gesetz der Einheitsbeziehung und
geschickten Raumausfüllung gefunden, wenn auch noch nicht streng
durchgeführt. Dies Gesetz ist zur vollen Herrschaft gelangt in der
Oziaslünette; es besteht in der radialen Beziehung der Linien des
(nun nach aussen vorgeneigten Oberkörpers der Figuren) auf das
Zentrum des Lünettenkreises. Die Leere, die dadurch zwischen
den Gestalten und der Inschrifttafel entsteht, wird durch Voluten,
die an die letztere angelehnt sind, vermieden. Eben dieses Gesetz,
Varianten nur in der Grösse des von den beiden Radien gebildeten
Winkels zeigend, bleibt in den folgenden Lünetten gültig; seiner
sicher, darf sich aber der Künstler Durchbrechungen der anfangs
strengen Symmetrie in den Stellungen der sich entsprechenden
Figuren erlauben. Ja, er gelangt in den beiden Lünetten der Ein-
gangswand durch hinzugefügte Gestalten zu einer neuen Lösung:
er kann nun die Hauptpersonen mit gerade aufgerichtetem Körper
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